Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
diesen Verbrechern abgenommen habe. Eine Belohnung wird nicht ausbleiben!“
„Das glaube ich auch!“, sagte Odo höhnisch. „Der Herr Kämmerer wird alles wiedererkennen. Hat es ja selber ausgesucht!“
Er stieß ein lautes Gelächter aus, das so ansteckend auf mich wirkte, dass ich einstimmen musste. Waratto schleuderte seinen Becher nach uns.
„Bringt sie weg!“, schrie er. „Die kann ich auch nicht mehr sehen!“
Kurz darauf lagen wir wieder gefesselt auf unseren stinkenden Schilfmatten. Ich versuchte, meine Gedanken zu sammeln und das Erlebte zu verarbeiten. Die Folgen unserer Rettungstat mit dem Totenschiff waren böse. Die uns feindlich gesinnte Partei in der Obodritenburg hatte die Oberhand gewonnen. Slawomir, des Verrats und der Verletzung eines heiligen Brauchs beschuldigt, war geächtet und durch Pribislaw, den wütenden Gockel, ersetzt worden. Immerhin hatten die von uns beauftragten Fischer das Schiff zurückgebracht. Die beleidigte älteste Ehefrau des Knes Ratibor hatte nun ihr Recht wahrgenommen, mit ihrem Gemahl ins Wendenparadies zu segeln.
Was Odo und mich betraf, so waren wir also zum Tode verurteilt. Doch uns umzubringen, wie Remmert es wünschte, war Waratto noch nicht bereit. Sei es, dass sich in seiner schwarzen Seele ein Fünkchen Dankbarkeit für die Errettung seiner Tochter regte, wenn er uns dieses Verdienst auch hartnäckig verweigerte, sei es, dass er sich fragte, ob wir nicht doch echte missi dominici waren, und dass es besser sei, sich ein Hintertürchen offen zu lassen … er hielt vorerst die Hand über uns. Nicht zu retten war aber wohl Slawomir. Für Waratto war er jetzt wertlos, seine Verwandten bekam der Graf im Austausch für ihn nicht wieder. Den Sachsen hatte der junge Wendenfürst mehrmals erheblichen Schaden zugefügt, jetzt wollten sie Rache. Durch Swindes beherztes Handeln auf dem Schiff, an dem ich noch teilgehabt hatte, bekamen sie sie. Welcher Teufel aber war nur in dieses Weibchen gefahren, halb Jungfrau, halb Witwe, das mir immer rätselhafter wurde?
Ich lauerte wieder an meinem Guckloch, als ich sie – kaum war es dunkel geworden – unter dem toten Baum erspähte. Sie musste es sein, obwohl ein langer, weiter Mantel, der auch über den Kopf geschlagen war, ihre Gestalt verhüllte. Bei ihr waren zwei Männer, keiner größer als sie selbst und leicht zu unterscheiden: Wido und Zelibor. Der Mann mit dem Speer, der Wache hielt, hob die Eisenplatte. Die drei stiegen hinab, zuerst Zelibor, danach die verhüllte Swinde, dann Wido. Ich sah nur noch das schwach erleuchtete Viereck der Öffnung und hörte auch diesmal nichts, weil sich nahe bei unserem Hause ein paar Hofköter wütend anbellten.
Wie meistens in dieser Gegend war der Nachthimmel eine fast schwarze, von keinem einzigen Sternenfünkchen erhellte Kuppel. Nach einer Weile bewegte sich jemand mit einem brennenden Kienspan über das dunkle Gefilde und näherte sich unserem Haus. Es war einer unserer Wächter, der von den beiden anderen erwartet wurde, damit er die Ölfunzel entzündete. Ein anderer ging eine Weile mit der Lampe umher, hielt sie knapp über dem Boden und schien etwas zu suchen. Dann hockten sie sich nieder, wie immer nahe bei der offenen Tür, und begannen zu würfeln. Ich blickte weiter gespannt durch das Loch in der Flechtwand.
Es mochte die Zeit für fünf Vaterunser vergangen sein, als Zelibor wieder erschien und herausstieg. Sein krummer, gedrungener Schatten bewegte sich auf den des Wächters zu. Die beiden redeten miteinander. Inzwischen hatten die Hunde sich beruhigt, und es war einen Augenblick lang still. Von den Männern hörte ich nur ein unverständliches Grummeln. Doch da erschien es mir plötzlich zum ersten Mal, dass ich einen aus dem unterirdischen Verlies heraufdringenden Laut vernahm. Es war ein Schrei, eher ein Kreischen, von einer dünnen, hellen Stimme ausgestoßen.
Ich presste das Ohr an die Öffnung, doch hörte ich nur noch das dumpfe Geräusch der niederfallenden Eisentür. Zelibor hatte sie zugeworfen. Er ging dann fort und verschwand irgendwo. Der Mann mit dem Speer blieb da, schritt wieder auf und ab, entfernte sich aber ziemlich weit von dem toten Baum.
Meine Aufmerksamkeit wurde kurz abgelenkt, weil plötzlich unter unseren Wächtern ein Streit ausbrach. Die Stimmen wurden lauter und lauter, und bald war klar, dass es sich um einen verschwundenen Würfel handelte – natürlich den Fälscherwürfel, den Rouhfaz gefunden und weggeworfen hatte. Sein
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