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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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hatte.
    »Gladdy.« Die Klischees stimmten – zerfleddert, zerlumpt und verschrammt – aber ich hing mit einer Hingabe an Gladdy, die nur durch seitenweise Kindheitserinnerungen zu erklären war.
    Langsam ging ich zu dem Lehnstuhl. Ich wollte ihn berühren, zog aber die Hand zurück. Ich würde ihn von Kranak auf Fingerabdrücke untersuchen lassen.
    Aber wozu sollte das gut sein?
    Ich wusste, dass er Gladdy mitgenommen hatte. Er würde keine Abdrücke oder Haare oder Gewebespuren hinterlassen. Schluchzend atmete ich ein.
    Sie war doch nur eine Puppe.
    Stunden später fand ich den goldenen Sacagawea-Dollar. Er lag in einem Spalt des Lehnstuhls.
    War Gladdy schon verschwunden, bevor ich zu Blanchette aufgebrochen war? Ich glaubte nicht.
    Tränen brannten auf meinen Wangen.
    Sie war doch nur eine Puppe, verdammt!
    Ich zitterte vor Angst und Wut. Er war trotz der Alarmanlage und der verschlossenen Türen eingedrungen und … Scheiß auf ihn.
    Ich zog mir ein Paar Handschuhe an und steckte dann die Münze in eine Plastiktüte.
    An dem Abend, als Blessing starb, hatte er gesagt, dass er die Spielchen satthatte.
    Ich auch.

25
    Am Montagmorgen hinterlegte ich den eingetüteten Dollar auf Kranaks Schreibtisch. Ich hatte Uhrzeit und Datum auf der Tüte vermerkt, wusste aber jetzt schon, dass Blessings Abdrücke darauf sein würden.
    Die Nachricht des Mörders? Er hatte Blessing kontrolliert. Und jetzt würde er mich kontrollieren.
    Von wegen.
    Als ich zur Tür hereinkam, strahlten alle – Gert, Donna, Mary – über beide Ohren. Sogar Andy zeigte eine Regung. Ich fühlte mich großartig. Genussvoll widmete ich mich an diesem Vormittag Aufgaben, die ich tausend Mal erledigt hatte. Nach zwei fragwürdigen Todesfällen am Wochenende hatten wir alle gut zu tun.
    Als ich zum ersten Mal an diesem Vormittag allein war, setzte ich mich hinter meinen Schreibtisch und gönnte mir eine willkommene Verschnaufpause in all diesem Chaos. Mein Blick fiel auf ein Pferd, das mein Vater aus Meerschaum geformt hatte.
    Dad verabscheute die Angst, aber er hatte mir beigebracht, sie zu respektieren. Letzte Nacht war ich verängstigt gewesen. Zu verängstigt. Wegen eines Irren, den ich nur noch … den Schnitter Tod nannte. Ja, Schnitter. Der Name passte.
    Ein Mann. Ein Wille. Wie viele Frauen hatte er zerschnitten?
    Bei dem Namen und diesen bösartigen Absichten wurde mir ganz anders. Ich schmiegte die Hand um meinen »Mutstein«, spürte das vertraute Gewicht und die glatte Oberfläche.
    Wie mein Vater verabscheute auch ich die Angst. Ich rieb mit dem Daumen über den Stein.
    Ich wollte mich gerade auf die Suche nach Kranak machen, als er mit einem torpedolangen belegten Baguette, zwei Dosen Limo und einem Stapel Servietten hereinmarschiert kam. Er ließ sich auf der Couch nieder, schlug das Wachspapier auseinander und enthüllte ein italienisches Sandwich mit Peperoni. Er schob mir eine Hälfte und eine Limodose hin und biss dann herzhaft in seine Hälfte.
    Ich ließ es mir ebenfalls schmecken. Himmlisch. »Blessings Abdrücke waren auf der Münze, stimmt’s?«
    Er nickte. »Wir haben das Haus abgesucht. Nichts.«
    »Hast du das Datum gesehen?«
    Er nahm einen Schluck Limo. »Klar. Du solltest gründlicher sauber machen, Tal.«
    »Das war nicht Blessing. Er hat meine Puppe, Rob. Ach, vergiss es. Bleib bei der Münze.«
    »Iss noch was. Hab ich aus Little Italy. Was Besseres kriegst du nirgends.«
    Und bessere Freunde als Kranak kriegte man auch nirgends. Ich nahm noch einen Bissen. »Ich verzeihe dir, obwohl du mich nicht darum gebeten hast. Also, wie weit seid ihr mit euren Nachforschungen?«
    Seine Narbe wurde weiß. »Vergiss es.«
    »Wird sich nicht die Presse jeden Moment darauf stürzen?«
    »Die können mich mal gernhaben.« Er warf die zerknüllte Verpackung in den Mülleimer.
    Ich schlug einen Hefter auf und zeigte ihm die Zeichnung von McArdle.
    Er reckte den Hals. »Sieht aus wie ein Weichei mit Bart.«
    »McArdle. Hat Jake gezeichnet. Super getroffen.«
    Ein verächtliches Schnauben. »Wie kommt’s, Miss Samantha Spade, dass du deinen da Vinci den Kerl nicht schon vorher hast zeichnen lassen?«
    »Die Idee war mir gar nicht gekommen. Auch ich mache Fehler.« Die Anzeichen waren deutlich – das Flackern in den Augen, die Beiläufigkeit, wie er in die Serviette hustete. Kranak hätte die Zeichnung gar zu gern gehabt. Er griff danach.
    Ich schlug den Hefter zu. »Halt mich auf dem Laufenden.«
    »Na gut.« Er wollte sich den Hefter

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