Tödliche Ewigkeit
trotz der frühen Stunde gut gefüllt, vor allem mit Männern, die gekommen waren, um sich nach der Arbeit ein Bier zu genehmigen und die Heimkehr ein wenig hinauszuzögern. An einem der hinteren Tische saß Millar mit Bert Garner und den beiden anderen Detectives, die Sergeant Mulligan unterstellt waren: der junge Bob Zimmermann, der noch keine zwei Jahre dabei war und mit Millar arbeitete, und John Mercuri, ein beleibter Vierzigjähriger mit einem nachsichtigen, sanften Lächeln. Ann ging zu ihnen. Auf dem Weg streckte ein offensichtlich angetrunkener Gast die Hand nach ihr aus und rief ihr etwas zu. Ann verstand das Wort nicht, doch sein ordinärer Ton sagte alles. Millar sprang so abrupt auf, dass sein Stuhl umfiel. Er packte den Typen am Kragen, riss ihn hoch, wehrte den Schlag ab, den dieser ihm zu versetzen versuchte, drehte ihm den Arm auf den Rücken und drückte seinen Kopf auf den Tisch.
»Wirt«, rief er in die plötzliche Stille, »ich will diesen Kerl hier nicht mehr sehen!«
Der fette, fast zwei Meter große Koloss verließ seinen Posten hinter dem Tresen und kam näher.
»Klar, Detective, tut mir leid.«
Er nahm den Mann beim Arm, hielt ihm seinen Mantel hin und führte ihn zur Tür.
»Die Biere gehen auf mich. Lassen Sie sich hier nie wieder blicken!«
Der andere ging wortlos davon.
Millar legte den Arm um Anns Taille und geleitete sie zu ihrem Platz. Diese wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie entschied sich für ein Lächeln.
»Danke, Cowboy. Aber ich wäre durchaus in der Lage gewesen, mich selbst zu verteidigen.«
Er erwiderte ihr Lächeln.
»Das hätte mich um das Vergnügen gebracht, es zu tun.«
»Wir können euch auch allein lassen«, meinte Garner in seinem schleppenden Tonfall.
»Nein, nein«, erwiderte Frank, »dies ist eine Arbeits- oder besser gesagt eine Krisensitzung.«
Ann runzelte die Stirn.
»Krise?«
Mercuri strahlte sie an. Es hieß, dass er bei Verhören immer den Part des Guten übernahm, und bei einem Einsatz vermochte keiner so geschickt die Situation zu entspannen wie er.
»Du bist ja noch neu und sagst dir wahrscheinlich, dass all das ganz normal ist, dass es bei der Polizei nun mal so zugeht …«
»Nachdem du das unvergleichliche Glück hast, ein Team mit Jeff Mulligan zu bilden«, spottete Frank, »wie hältst du das bloß aus?«
Damit wären wir also beim Thema, dachte Ann. Sie wollen, dass ich mit den Wölfen heule …
»Es ist nicht leicht«, antwortete sie nach kurzem Nachdenken, »aber ich lerne viel.«
»Und was lernst du?«, höhnte Frank. »Dich demütigen zu lassen, ohne aufzubegehren?«
»Oder die Technik illegaler Verhaftungen?«, fügte Garner hinzu und trank sein Bier aus. »Ich war vier Jahre lang sein Partner, und ich frage mich, wie ich es geschafft habe, noch immer Cop zu sein. Dieser Typ hat mich dazu angehalten, Beweise zu manipulieren und vor Gericht Falschaussagen zu machen. Dank Woodruffs Unterstützung kommt er jedes Mal davon. Aber es wird immer schlimmer, und letztlich werden wir seinetwegen alle in Schwierigkeiten geraten.«
Mercuri ergriff das Wort. Er lächelte nicht mehr:
»Seit er mich im Rahmen dieser Ermittlungen beauftragt hat, die Kollegen im Kommissariat zu befragen, nennen mich alle den Cop der Polizei. Es ist nicht nur so, dass niemand Mulligan leiden kann, er sorgt auch dafür, dass sich alle, die mit ihm arbeiten, unbeliebt machen …«
»Ich«, erklärte Garner bestimmt, »habe neunzehn Dienstjahre auf dem Buckel. In einem Jahr gehe ich in Altersteilzeit. Das ist nicht der richtige Augenblick, um rauszufliegen!«
»Oder dich umbringen zu lassen«, fügte Millar hinzu.
»Das kannst du laut sagen! Mit ihm war ich in drei Schießereien verwickelt.«
»Und wie hat er sich dabei verhalten?«, fragte Ann.
»In fünfzehn Dienstjahren habe ich nicht einmal Gebrauch von meiner Waffe machen müssen. In den vier Jahren mit Mulligan: drei Schießereien!«
»Und wie hat sich der Sergeant verhalten?«, beharrte Ann.
Millar fiel ein:
»Alle wissen, dass Mulligan in solchen Situationen großartige Arbeit leistet. Das Problem ist nur, dass er sie sucht. Er hält sich für einen Filmhelden. Im NYPD gibt es Tausende von Cops, gute Cops, die in ihrer Laufbahn nicht einmal in eine Schießerei verwickelt wurden.«
»Trotzdem kann man sich in gefährlichen Situationen auf ihn verlassen.«
»Er zieht einen aus der Scheiße – nachdem er einen vorher selbst reingeritten hat.«
»Er ist ein gemeingefährlicher
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