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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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von ihr. Alle ihre Bekannten zogen sie damit auf, lachten über diese Marotte … Übrigens, bevor sie sich ihre Wohnung kaufte, hatte sie darauf bestanden, sie bei Tagesanbruch zu besichtigen. Ich hätte zu gern das Gesicht des Immobilienmaklers gesehen, der um fünf Uhr morgens die Vorzüge der Wohnung anpreisen musste! Doch sonst hätte sie sie nicht gekauft. Sie konnte sehr stur sein, vor allem als …«
    »Wie verhielt sie sich gegenüber ihren Angehörigen und Freunden?«, unterbrach sie der Sergeant.
    Die Frage überraschte Ann.
    »Sie war … herzlich.«
    Mia Sheldon hielt inne und betrachtete ihre Besucher, als wolle sie sichergehen, dass die beiden sie auch richtig verstanden hatten.
    »Was ich sagen will, alles an ihr strahlte eine große Warmherzigkeit aus. Wenn sie einen Raum betrat, bemerkte man sofort ihre Anwesenheit: ein ausgleichender Mensch mit sinnlicher Aura. Eine seltene Gabe! Sie war nicht aufdringlich, aber …«
    So kommen wir nicht weiter, dachte Ann belustigt. Sie beobachtete Jeff, der dem endlosen Redefluss lauschte und nicht gewillt schien, ihn zu unterbrechen, als sei er von dem entworfenen Bild fasziniert. Es tat dieser Frau sichtlich gut, von der Toten zu sprechen. Und es ist normal, dass man in dieser Phase der Trauer den Verstorbenen idealisiert und jemanden braucht, der einem zuhört. Aber ein Cop ist weder ein Vertrauter noch ein Therapeut. Um mit der Untersuchung voranzukommen, hätte ihr Vorgesetzter präzise und ineinandergreifende Fragen stellen müssen, was er offensichtlich nicht vorhatte. Ann schüttelte den Kopf. Vielleicht hatten die anderen ja doch recht. Der Sergeant schien sich mehr für das Opfer als für seinen Mörder zu interessieren.
    Schließlich aber griff er doch ein:
    »Wirkte sie in der Zeit kurz vor ihrem Tod irgendwie verändert?«
    »Seit dem Verschwinden ihres Verlobten war sie wie verwandelt. Sie hatte sich noch nicht von dem Schock erholt.«
    Ann hätte schwören können, dass Mulligan bei ihrer Antwort leicht zusammenzuckte.
    »Es war nicht so, dass sie sich eingeigelt hätte«, fuhr die Frau fort. »Aber … Wie soll ich sagen? Sie fühlte sich unbehaglich, als hätte sie ein Problem mit sich selbst. Verstehen Sie? Das war so gar nicht ihre Art … Manchmal war sie sogar richtig hektisch. Seit einer Woche, um genau zu sein.«
    »War etwas vorgefallen?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Schließlich erhob sich Jeff. Er ging auf die Frau zu und reichte ihr seine Karte.
    »Haben Sie vielen Dank. Hier, falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, eine Erinnerung, ein Gedanke, ein Eindruck, rufen Sie mich an, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.«
    »In Ordnung, das werde ich tun, Sergeant«, erwiderte sie. Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen.
    »Ich werde den Typen kriegen, der sie umgebracht hat«, fügte er mit Nachdruck hinzu. »Um jeden Preis, denn Lucie Milton hat es nicht verdient zu sterben.«
    Und in diesem Moment stand für Ann eindeutig fest, dass er verrückt war.
    In den darauffolgenden Tagen übertrug Mulligan ihr nur administrative Aufgaben. Die Nachforschungen führte er allein durch, und auch die Ergebnisse behielt er für sich.
    Die anderen Detectives aus ihrem Team arbeiteten unter größter Geheimhaltung und trafen sich gelegentlich, um Informationen auszutauschen. Doch sobald Ann in ihre Nähe kam, verstummte das Gespräch. Sie misstrauten ihr.
    Abends, wenn sie nach Hause kam, kuschelte sie sich auf das Sofa in ihrem kleinen Wohnzimmer. Allein der Gedanke, aufzustehen, um sich etwas in der Mikrowelle aufzuwärmen, kostete sie ungeheure Überwindung.
    In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nie so einsam gefühlt.

MITTEN IN DER WÜSTE VON JUÁREZ
     
    Seit gut zwei Stunden fuhr der Lieferwagen schon durch diese öde Wüstenlandschaft, in der nur hin und wieder mal ein Kaktus auftauchte. Plötzlich bremste der Fahrer und hielt an. Stimmengewirr, das Quietschen eines Gitters. Sie fuhren wieder los und an einer grauen, schier endlosen Betonmauer entlang. Als es endlich wieder etwas zu sehen gab, traute Raúl seinen Augen nicht. Um ihn herum war auf einmal alles grün. Sie waren nicht mehr in der Wüste, sondern in einem riesigen Garten mit belaubten Bäumen, hinter denen zahlreiche moderne, schmucke, drei- oder viergeschossige Gebäude zum Vorschein kamen. Dahinter konnte er die hohe, mit Stacheldraht versehene Mauer erkennen, die das Gelände umgab. Auf stählernen Türmen waren überall schwer bewaffnete Wachen postiert.
    Ein

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