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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Marquet
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unter denen er litt, einen Namen erhielten. Ein erster Schritt auf dem Weg zur Heilung. Sein Gegenüber blickte von seiner Akte auf und lächelte.
    »Wie geht es Ihnen, Steve?«
    Mulligan spürte, wie seine Kinnlade herunterklappte. Walker sah ihn freundlich an, so als wäre nichts.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe gefragt, wie Sie sich fühlen …«
    »Nein. Wie haben Sie mich genannt?«
    »Aber Ste … ähm … Oh, entschuldigen Sie, Jeff«, sagte der Arzt nach einem erneuten Blick in die Akte.
    Die Zeit schien stillzustehen. Mulligan war nicht mehr Herr über die Gedanken, die durch seinen Kopf jagten. In einem so brutalen Tempo, dass er glaubte, sein Schädel müsse explodieren. Für einen Moment hatte er den Eindruck, alles würde einen Sinn ergeben. Die einzelnen Elemente, die, für sich betrachtet, absurd wirkten, fügten sich plötzlich zu einem erschreckenden Ganzen zusammen.
    Steve war der Vorname von Lucies Verlobtem.
    Noli me tangere . Der Satz auf Latein, den der Prediger geschrien hatte.
    Er erinnerte sich jetzt genau: Es war der erste Teil der letzten Nachricht, die Steve kurz vor seinem Tod an Lucie gerichtet hatte.
    Lucy in the sky  … Help  …
    Sie bittet um deine Hilfe.
    Sie wartet auf dich …
    Es war, als hätte sich rund um Mulligan alles verschworen, um ihn zu Lucie zu führen.
    Doch nicht nur das.
    Man hätte meinen können … hinter diesem Gespinst von Zeichen verberge sich ein geheimnisvoller Weg, auf den er gegen seinen Willen gelenkt würde, durch eine Kraft …
    Durch Lucie?
    Nein, das war unmöglich. Der Psychiater starrte ihn leicht irritiert an. Mulligan versuchte sich wieder zu fassen.
    »Warum haben Sie mich Steve genannt?«
    Wider Willen war er etwas lauter geworden. Angst flackerte im Blick des Arztes auf.
    »Tut mir leid, das war ein Irrtum. Ein Lapsus …«
    »Haben Sie derzeit einen Patienten mit Namen Steve?«
    »Ja«, stammelte Walker, »das ist wohl der Grund, ich …«
    »Sind Sie sicher?«
    »Nun …«
    »Prüfen Sie’s!«
    Der Arzt schien unschlüssig, ob er vielleicht Hilfe anfordern sollte. Er tat es aber nicht, sondern blätterte nervös in seinem Dossier.
    »Also?«
    »Hören Sie, nein, ich betreue zurzeit keinen Kranken mit dem Vornamen Steve, aber wissen Sie …«
    Mulligan erhob sich und verließ wortlos das Büro.
    Er verbrachte den ganzen Tag in seinem Bett. Die Augen auf die Decke gerichtet, ging er immer wieder die Ereignisse durch, die sich auf so mysteriöse Weise zusammenfügten und ihm einen Weg zu weisen schienen.
    Da waren auch die Türen, die sich ohne Erklärung öffneten. Und das hatte er nicht geträumt.
    Als ob …
    Als ob Lucie ihn aufforderte, diesen Ort zu verlassen.
    In dieser Nacht kletterte Jeff über die mit Stacheldraht gesicherten Mauern der Anstalt und floh.

WÜSTE VON JUÁREZ, GEHEIMES GEFÄNGNIS
     
    Raúl ist in der Hölle.
Das dumpfe Geräusch der Maschinen. Der quälende Rhythmus der Pieptöne.
    Überall Drähte.
    Zwei Perfusoren versorgen die Venen an seinen geschwollenen Handgelenken in regelmäßigen Abständen mit einer Flüssigkeit. Kopf und Brust sind an verschiedene Instrumente angeschlossen, die in Realzeit die Auswirkungen auf seinen Organismus analysieren.
    Man hat ihn mit dicken Gurten, die in Arme und Fußgelenke einschneiden, an ein Eisenbett gefesselt.
    Wegen der Reaktionen seines Körpers auf den Schmerz.
    Und der ist in manchen Momenten so heftig, dass er verrückt zu werden glaubt. Er, der das Kommandotraining der Sondereinheit absolviert hat, bei dem die Grenzen der Belastbarkeit und Schmerzresistenz ständig überschritten wurden …
    Bisweilen wird sein ganzer Körper von Krämpfen gelähmt, die jeden einzelnen seiner Muskeln zu beeinträchtigen scheinen.
    Und sein Bauch quält ihn jede Sekunde … Seit drei Tagen hat man ihm nichts zu essen gegeben.
    Aber er würde ohnehin nichts herunterbringen.
    Zwei oder dreimal pro Tag präsentiert ihm ein Arzt eine Skala von eins bis zehn, auf der Raúl den Grad seines Schmerzes anzeigen muss. Angeblich ist zehn das Maximum des Erträglichen. Anfangs blieb Raúls Finger auf vier oder fünf stehen. Im Laufe der Tage ist er bis auf acht, dann neun geklettert. Einmal – war es gestern oder vorgestern? – auf dem Höhepunkt der Qual, hat seine zitternde Hand auf einen Punkt weit über der Zehn gedeutet. Kurz darauf ließ der Schmerz nach. Sicher hatte man die Dosis reduziert …
    Das geschah jedoch nicht aus Mitgefühl. Der Skalatest dient nicht dem Zweck, ihm

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