Tödliche Ewigkeit
weit aufgerissenen Augen sah Jeff, wie sich in Zeitlupe Hunderte kleiner Splitter über die Fliesen seines Zimmers verstreuten.
Das Glas.
Das er mitten auf den Tisch gestellt hatte.
Es war durch den Raum geflogen, um an der Wand gegenüber zu zerbersten.
Jeff war wie gelähmt und wagte kaum zu atmen. Nie hatte er bei Einsätzen Angst gekannt, jeden Augenblick war er bereit gewesen zu sterben, hatte im Innersten nur diesen Tod erwartet, den er so viele Male herausgefordert hatte, auch wenn er sich jedes Mal entzog – doch jetzt war sein ganzer Körper von einem namenlosen Grauen erfüllt.
Es gab keine Erklärung.
Außer einer. Doch er war nicht bereit, ihr ins Auge zu blicken.
Und dennoch …
Erneut spürte er sie .
Sie.
Jetzt aber war es nicht mehr die Gegenwart der Liebenden, die ihn so oft mit ihrer endlosen Sanftheit umhüllt hatte.
Diesmal war Lucie zornig.
Während der drei Tage, die sie krankgeschrieben war, ging Ann nicht ans Telefon. Sie beantwortete weder Frank Millars Anrufe noch die von irgendwem sonst. Als sie wieder auf dem Revier erschien, lud er sie zu einem Mittagessen ein, in dessen Verlauf sie ihm mitteilte, dass es zwischen ihnen aus sei. Sie war überrascht, dass er nicht im Geringsten damit gerechnet hatte. Er glaubte ihr zunächst nicht, begann dann zu argumentieren und sie schließlich regelrecht anzuflehen. Am Ende verließ er sie zornig und gedemütigt, weil er sich so weit erniedrigt hatte. Sie sah ihn den ganzen Nachmittag nicht.
Tags darauf nahm er den Dienst wieder auf, als wäre nichts gewesen. Während der folgenden Tage ermittelten sie zusammen, ohne irgendein persönliches Thema anzuschneiden. Frank schien sogar bester Laune, und Ann hoffte schon, dass alles wieder in Ordnung käme.
Doch nach einer Woche, als sie mittags im Streifenwagen ein Sandwich aßen, zog er plötzlich ein schwarzes Schächtelchen mit einer Schleife hervor. Angespannt öffnete sie es. Es enthielt einen sehr hübschen Ring, einen Smaragd, eingefasst in kleine Diamanten, ein Geschenk, für das er sich sicher verschuldet hatte. In feierlichem Tonfall machte er ihr daraufhin einen Heiratsantrag. So taktvoll wie möglich lehnte sie das Schmuckstück und den Antrag ab. Er nahm es sehr schlecht auf.
»Ich bin wohl nicht gut genug für dich, wie?«
»Unsinn, Frank.«
»Die Tochter vom Staranwalt Robert Lawrence lässt sich schon mal mit einem Cop ein, heiratet aber nur einen aus ihren Kreisen!«
Ann biss die Zähne zusammen und beherrschte sich. Wozu sich verteidigen? Allein die Tatsache, dass sie Lawrence hieß, ließ für all die Idioten in ihrer Abteilung die wildesten Spekulationen zu. Niemand, nicht einmal Jeff Mulligan, wollte verstehen, wer sie wirklich war … Vor allem Jeff Mulligan nicht, dachte sie mit einer Mischung aus Zorn und Bitterkeit. Ganz offensichtlich hatte sie die letzte Bemerkung, mit der er sie bedacht hatte, noch nicht verdaut.
Noch am selben Nachmittag beantragte und bekam Frank Millar einen anderen Partner. Ann wurde Bert Garner zugeteilt, der von der ersten Minute an seine dauerhaft schlechte Laune an ihr ausließ.
Von diesem Tag an verhielten sich alle Detectives ihr gegenüber kühl und abweisend, richteten so gut wie nie das Wort an sie und antworteten kaum auf ihre Fragen. Ihr Dienst wurde zur Hölle.
Jeden Abend, wenn sie in den Spiegel sah und sich wütend ein paar Tränen aus den Augenwinkeln wischte, schwor sie sich, durchzuhalten.
Sie erfuhr nie, was Frank Millar über sie erzählt hatte.
Als Jeff Mulligan aus einem bleiernen Schlaf erwachte, in den ihn das selbst verlangte Sedativum versetzt hatte, erinnerte er sich, dass er heute seinen Termin beim Psychiater hatte. Zum ersten Mal ging er bereitwillig hin. Dabei war ihm dieser Glatzkopf, der ihn von seiner wissenschaftlichen Warte aus in eine seiner Schubladen einordnen wollte, nie sympathisch gewesen. Nach den Ereignissen vom Vortag aber erschien ihm das Büro von Dr. Walker wie ein Hafen der Normalität in all dem Wahnsinn ringsum, dem er selbst zu verfallen fürchtete. Er wollte von seinen immer häufiger auftretenden Halluzinationen geheilt werden, und das war schließlich der Job eines Psychiaters …
Als er seinem Arzt gegenüber Platz nahm, war Jeff bereit, mit offenen Karten zu spielen, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Wenn er dem Mann ausführlich schilderte, was er durchlebte, würde Dr. Walker vielleicht eine Diagnose stellen. Ihn würde es bereits beruhigen, wenn die Störungen,
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