Tödliche Feindschaft
Jahren tatsächlich beinahe so etwas wie ein
Freund geworden, Graf. Damals, als Ihr Michel davonjagtet, hätte ich es nie für möglich
gehalten. Aber es ist so. Nun, ich habe nichts gegen Eure Freundschaft. Mein Freund dürft Ihr
bleiben; denn Ihr seid zum Schluß auch Michels Freund gewesen. Aber verlangt nicht im Ernst,
daß ich Euch liebe.«
Er zog seufzend die Schultern hoch.
»Was soll man dazu noch sagen?«
»Nichts«, meinte sie und lachte. »Grüß Gott.«
Sie verschwand im Eingang.
Eberstein ging, tief in Gedanken versunken, die Straße entlang.
Schon vor Jahren hatte der alte Eberstein ein großes, schönes Haus in Kassel erworben. Es war prächtig und gediegen eingerichtet. Die gräfliche Familie führte ein feudales Leben.
Der alte Graf war immer unterwegs. Und obwohl die Güter der Ebersteins nicht viel abwarfen, war immer reichlich Geld im Haus.
Den alten Grafen führten seine Reisen weit über Land. Wenn ihn Leute aus seinen Kreisen fragten, weshalb er sich in seinem Alter so wenig Ruhe gönne, antwortete er verschmitzt: »Wer leben will, muß in Geschäften unterwegs sein. Überall liegt das Geld auf der Straße. Man muß nur verstehen, es aufzuheben.«
Rudolf von Eberstein hatte sich nie große Gedanken darüber gemacht, woher das viele Geld kam. Hätte er von seinem Majorsgehalt leben müssen, dann wäre er kärglich dran gewesen. Die Zuschüsse vom Vater waren beträchtlich. Rudolf Eberstein wußte auch, daß das Geld nicht immer auf ganz saubere Weise verdient war.
Pecunia non olet, hatte ein römischer Kaiser gesagt. Geld stinkt nicht. Nun, und was einem Kaiser recht war, das war einem Grafen Eberstein schon lange gut. Nein, Geld stank nicht. Man mußte es nur haben.
Als an diesem Abend der Gong im Hause die Familienmitglieder zu Tisch rief, hatte der alte Graf ein verkniffenes Gesicht. Während die Diener das Essen servierten, beugte er sich zu seinem Sohn hinüber und flüsterte :
»Komm nach dem Abendessen in die Bibliothek. Ich muß mit dir sprechen, Rudolf.«
Seine Stimme hatte ungewöhnlich sorgenvoll geklungen. Was mochte geschehen sein? Dem jungen Grafen schmeckte das Essen nicht mehr. Als er sah, wie sein Vater in dem Braten herumstocherte, verging auch ihm der Appetit. Er mußte ernste Sorgen haben.
Als sie dann eine Stunde später in der Bibliothek saßen, meinte der Graf:»Ich muß dir eine
wenig schöne Eröffnung machen, Junge.«
»Was gibt«s?« fragte Rudolf trocken.
»Ich weiß, daß du dich nie dafür interessiert hast, woher das Geld kommt, das wir verbrauchen.
Diesen Standpunkt wirst du nun ändern müssen.«
»Und weshalb?«
»Nun, wenn wir unsere gesellschaftliche Stellung hier wahren wollen, so ist es unumgänglich
notwendig, daß du dich dafür interessierst.«
»Ich verstehe dich nicht.«
Der Alte lachte.
»Du willst nicht verstehen. Ich kann auch noch deutlicher werden. In Zukunft wird unsere gesellschaftliche Stellung ganz allein von dir abhängen. Zumindest so lange, bis ich mich erholt habe.« Rudolf von Eberstein wurde blaß. Er zog die Stirn in Falten. »Willst du dich nicht klarer ausdrücken, Vater?«
»Recht gern, mein Sohn. Sehr klar. Wir sind pleite. Ich habe leider eine größere Spekulation
gemacht und — verloren.«
»Und meine Zuschüsse?«
»Die auch.«
»Schöne Geschichte.«
»Ja, du wirst dich in Zukunft schon selbst darum kümmer müssen, wo das Geld herkommt, das
du ausgeben willst.«
»Aber wie?«
»Stelle das unfruchtbare Werben um Charlotte Eck ein. Der Alte ist zwar ein wohlsituierter Bürger; aber große Reichtümer sind von den Ecks nicht zu erben.« »Ich liebe das Mädchen.«
»Hahaha«, lachte der Alte, »ich habe viele Mädchen geliebt; aber ich konnte sie nicht alle heiraten.«
»So darfst du nicht sprechen. Meine Gefühle für Charlotte sind heilig.«
»Parbleu«, meckerte der Alte, »rede keinen Unsinn. Was nützt dir dein ganzes Heiligtum, wenn du kein Geld hast!«
Rudolf von Eberstein schwieg. Er dachte über die veränderte Lage nach.
»Sei gescheit«, unterbrach der Vater sein Grübeln. »Wenn du klug genug bist, können wir unsere
Lage bald verbessern.«
Rudolf sah auf.
Eine Frage stand in seinem Gesicht.
»Hast du schon ein Rezept?«
»Ja. — Du kennst doch Abraham Hirschfelder, nicht wahr?«
»Den Juwelier?«
»Eben den.«
»Soll ich etwa zu ihm gehen, um eine Anleihe aufzunehmen?«
»Anleihe? — Rede keinen Unsinn. Wovon sollen wir eine Anleihe zurückzahlen?« »Ja, das weiß ich auch nicht.« »Ich meine
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