Tödliche Feindschaft
eine anständige Mitgift«, sagte der Alte und lachte.
»Eine Mitgift?« Rudolf von Eberstein war ehrlich verblüfft. Er faßte nicht, was sein Vater sagte. »Parbleu, du mußt die Tochter vom alten Abraham poussieren. Wie ich ihn kenne, gibt er sein halbes Vermögen, wenn seine Tochter in adlige Kreise Einlaß findet. Und er wird vollends aus dem Häuschen geraten, wenn seine Tochter gar eine Gräfin werden soll.«
»Du meinst — du meinst, daß ich Abraham Hirschfelders Tochter heiraten soll?«
»Genau das. Rachel ist ein süßes Kind, süßer jedenfalls als deine langsam alt werdende Charlotte Eck.«
Rudolf von Eberstein verlor für einen Moment die Fassung. Dann sagte er ungehalten und sehr laut: »Ich —, Rudolf Graf von Eberstein, soll eine Jüdin heiraten?«
»Was heißt das schon? Mir wäre ein indische Prinzessin auch lieber. Aber da wir keine haben, müssen wir eben mit einer israelitischen Juwelierstochter vorliebnehmen. Hauptsache, es kommt Geld ins Haus.«
»Unmöglich! Eine solche Mesalliance könnte zu der Konsequenz führen, daß ich meinen Abschied nehmen muß. Seine Hoheit wird es nicht dulden, daß ein Offizier seiner Leibdragoner eine solche Verbindung eingeht.«
»Das laß nur meine Sorge sein. Wenn du sie nur kriegst, sie und ihre Diamanten. Das andere will
ich schon regeln. Die Heirat mit Charlotte Eck wäre auch nicht gerade standesgemäß gewesen.
Da hattest du keine Bedenken.«
»Charlotte liebe ich auch.«
»Liebe — wenn ich das schon höre! Wie man sich so etwas nur einbilden kann!« »Und wie stellst du dir das vor, Vater?«
»Ich muß nur wissen, ob du grundsätzlich dazu bereit bist. Das andere mache ich schon.« »Laß mich die Sache beschlafen.« »Nicht beschlafen. Betrinke sie. Dabei kommt mehr heraus.«
Als der junge Eberstein später in seinem Bett lag, dachte er über diese sonderbare Sache nach. Rachel Hirschfelder war ihm keine Unbekannte. Sie galt als eines der schönsten Mädchen der Stadt. Nun, warum sollte man es sich nicht überlegen?
Am nächsten Abend drängte der Vater wieder. Und an diesem Tag wäre auch der Zuschuß fällig
gewesen, den Rudolf von Eberstein sonst stets erhalten hatte. Nicht einen Dukaten rückte der
Alte heraus.
»Hol sie dir von Rachel«, sagte er.
Und Rudolf von Eberstein willigte ein. Es dünkte ihn doch schlimmer, ohne Geld als ohne Charlotte Eck zu leben.
24
Zwei Tage später herrschte im Hause der Hirschfelders große Aufregung.
Abraham, ein gut angezogenes, intelligent aussehendes, aber geduckt einherschleichendes männliches Wesen, saß in seinem gediegen eingerichteten Arbeitszimmer und hatte eine Kollektion wertvoller Steine vor sich auf dem Schreibtisch liegen, die er durch eine große Lupe sorgfältig untersuchte. Mit einer Pinzette sortierte er Stein für Stein der Größe nach aus. Rechter Hand vor ihm lag ein Zeichenblatt, auf das er mit künstlerischen Händen die Skizze eines Schmuckstücks geworfen hatte, das er anzufertigen gedachte.
Hin und wieder legte er die Lupe zur Seite und fuhr sich mit den Händen über die müden Augen. Jeden Tag spürte er deutlicher, daß seine Sehkraft nachließ.Abraham Hirschfelder war nicht so sehr Geschäftsmann als vielmehr Künstler. Die prachtvollen Stücke, die er verkaufte, stammten samt und sonders aus der eigenen Werkstatt, in der er mit nur zwei Gehilfen arbeitete.
Abraham hatte von der Pike auf gelernt. In Erfurt war er bei einem Goldschmiedemeister in die Lehre gegangen. Da sich aber bei ihm geschäftlicher und künstlerischer Sinn paarten, hatte er es im Lauf eines arbeitsreichen Lebens zu Reichtum und Wohlstand gebracht. Sein Ruf als Goldschmiedekünstler und unbestechlicher Kenner von Brillanten war weit über die Grenzen Hessens hinausgedrungen. Er hatte jahrelang damit geliebäugelt, sein Geschäft nach Berlin zu verlegen. Aber dann, als es möglich schien, seinen Lieblingsgedanken zu verwirklichen, fühlte er die Last der Jahre schon so schwer auf seinen Schultern, daß er die vielerlei Unbilden, die ein solcher Umzug mit sich brachte, nicht mehr tragen zu können vermeinte. So war er in Kassel geblieben.
Erst spät hatte er seine Frau Judith kennengelernt. Und dennoch war, mit Gottes ganz besonderer Gnade, aus der Ehe der schon an der Grenze des Alters stehenden Leute ein so entzückendes Geschöpf entsprungen wie Rachel.
Obwohl der alte Abraham Hirschfelder ausdrücklich angeordnet hatte, daß er während seiner Brillantenstudien in seinem Arbeitszimmer nicht
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