Tödliche Feindschaft
Rachmann hat mir oft genug erzählt, wie sie sich beim Krugwirt benehmen, wenn sie unter sich sind. Sie sind nicht besser als wir. Sie bilden sich das nur ein. Dabei führen sie sich auf, als sei es selbstverständlich, daß alle Welt nur nach ihrem Munde blickt.«
»Du sprichst viel zu viel von diesem jungen Musiker. Ich will nicht, daß du dich mit ihm
verzettelst. Er ist ein Habenichts. Und die Musik ist eine brotlose Kunst. Er wird es niemals zu
etwas bringen.«
»Aber er ist ein guter Mensch.«
»Das sei unbestritten. Aber Güte allein reicht noch nicht, um ein Leben zu meistern. Du wirst sehen, es gibt viel mehr Männer, die weit ansprechender sind als er. Dein Vater ist ebenfalls dieser Meinung.«
Abraham Hirschfelder sah geflissentlich auf seinen Teller. Er wollte seiner Frau nicht widersprechen. Er wußte ja, daß diese seit eh und je einen Baron oder einen Grafen als Mann für ihre Tochter ersehnte. Er selbst, Abraham, kannte das Leben zu gut, um nicht zu wissen, was eine große gesellschaftliche Stellung für Vorteile brachte. Andererseits gefiel ihm der junge Rachmann. Die Besessenheit, mit der er an seiner Musik hing, deutete auf eine große Seele hin. Wenn er sich jedoch recht überlegte, was sollte ein Juwelier mit einem Schwiegersohn, der voraussichtlich mit einem goldenen Geschmeide ebenso wenig anzufangen wußte wie er, Abraham, mit einem Notenbuch von Bach!
»Ich habe bereits die Schneiderin bestellt«, sagte Frau Judith zu ihrer Tochter. »Sie wird Tag und Nacht an einem Kleid arbeiten, in dem du alle anderen ausstechen wirst.« »Darf ich auch Schmuck tragen?« fragte Rachel. Sie war in dieser Beziehung so wie alle echten Evastöchter.
Der Vater lächelte und nickte zustimmend. Da war das Mädchen wieder versöhnt. Denn daß keine andere so reichen Schmuck anlegen konnte wie sie, das war selbstverständlich.
25
Nun war es soweit. Im Hause Eberstein war alles zum festlichen Empfang gerüstet. Eine ganze Reihe hochangesehener Familien war geladen. Der alte Graf hatte nicht verfehlt, sie darauf vorzubereiten, was ihrer warten würde. Er wußte es so geschickt vorzubringen, daß die meisten es als eine Sensation auffaßten, die man auf keinen Fall versäumen durfte. Wie würde sich das ungeschickte israelitische Männchen mit seiner dürren Frau unter den hochadligen und würdigen Gästen bewegen?
Die so sehr von sich selbst eingenommenen Gäste versprachen sich einen Hauptspaß von diesem Abend. Keiner dachte auch nur im entferntesten an die Tochter Rachel. Dann kamen die Kutschen vorgefahren.
Um nicht wie seltene Stücke einer Ausstellung bestaunt zu werden, hatte sich Abraham Hirschfelder dafür entschieden, pünktlich zu sein. Und so geschah es, daß er mit Frau und Tochter zu den ersten gehörte, die ankamen. Als die Gäste vollzählig versammelt waren, hatte man kaum noch einen Blick für die beiden alten Leute. Sie waren da, man nahm keine Notiz von ihnen, sie waren gut gekleidet, sie hatten sich nicht daneben benommen, es war nichts Besonderes an ihnen.
Die ungeteilte Aufmerksamkeit aller galt einzig und allein Rachel. Und so wenig sie es auch wahrhaben wollten, sie mußten vor sich selbst zugeben, daß sie selten ein so schönes, so geschmackvoll gekleidetes Mädchen gesehen hatten wie diese kleine Jüdin. Rachel hatte die kostbarsten Schmuckstücke ihres Vaters angelegt. Ihre Garderobe war das Eleganteste, was an diesem Abend gebotenwurde. Sie bewegte sich mit einer Sicherheit, als habe sie seit eh und je in Palästen der Gesellschaft verkehrt. Die jüngeren Herren waren wie aus dem Häuschen. Im Handumdrehen waren alle Standesunterschiede vergessen. Beim Tanz flog Rachel von einem Arm in den anderen. Die jungen Mädchen standen beisammen und warfen wutentbrannte Blicke auf ihre erfolgreiche Konkurrentin. Niemand kümmerte sich um sie.
Seltsamerweise war gerade Rudolf von Eberstein sehr zurückhaltend. Aber das war kluge Berechnung. Er verschwendete keinen Gedanken an Charlotte Eck. Dieses Mädchen war tatsächlich eine Schönheit. Sie schritt königlich daher. In ihrem Tanz lag graziler Schwung. Für Rudolf stand es fest, daß es kein schlechtes Geschäft wäre, sie zur Frau zu bekommen. Da sich seine Kameraden aber wie verliebte Jünglinge benahmen, wollte gerade er den kühlen Helden herauskehren.
Er sah es Rachel an, daß sie ihn scharf beobachtete. Er mochte wohl auch spüren, daß sie sich innerlich über die Narren lustig machte. Zu den Narren aber wollte er nicht
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