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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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gestört werden wollte, war Frau Judith dennoch soeben hereingetreten und hatte ihm auf sein unwilliges Brummen hin einen Brief überreicht, in dessen linker Ecke eine gräfliche Krone prangte. Die zierliche alte Dame schwieg. Es war auch gar nicht nötig, etwas zu sagen; denn Abraham hatte kaum einen Blick darauf geworfen, als er Steine, Pinzette und Skizzenblatt fahren ließ und mit vor Erregung zitternden Fingern das Kuvert öffnete.
    Schon das gehämmerte Papier machte nicht den Eindruck eines Geschäftsbriefs. Ohne zu wissen, was darin stand, fühlte man doch die persönliche Note dieses Schreibens.
    Abraham fingerte in seiner Westentasche nach seinem Lorgnon. Endlich hatte er es aufgeklappt und hielt es vor die Augen. »Ist ja nicht möglich, ist ja nicht möglich«, stammelte er.
    »So bist du mir wegen der Störung nicht mehr böse?« fragte Frau Judith.
    »Aber, Herz, wie könnte ich! Mit so etwas hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.«
    Wieder hielt er das Lorgnon vor die Augen. Dann schob er den Stuhl zurück und erhob sich. Die Freude, die eben noch auf seinem Gesicht gestanden hatte, verwandelte sich in Mißtrauen. Mit auf dem Rücken gefalteten Händen ging er im Zimmer auf und ab. Er faßte es noch immer nicht. Da lag also eine Karte, eine Einladung für die ganze Familie zu einem Diner beim Grafen Eberstein am Sonnabend abend.
    Dreißig Jahre hatte Abraham Hirschfelder vergebens gekämpft, um Zugang zu der höheren Kasseler Gesellschaft zu finden. Dreißig Jahre lang hatte man ihm die kalte Schulter gezeigt, soweit es sich um andere Dinge als um geschäftliche handelte. Nun, heute, jetzt in dieser Minute, an irgendeinem beliebigen Tage des Jahres also lag da vor ihm diese Einladung.
    Und trotzdem konnte Abraham nicht recht froh werden. Die Ebersteins galten, seit sie in Kassel ansässig waren, als eine der arrogantesten Familien der höheren Gesellschaft. Und ausgerechnet sie ließen sich herab, ihn, Abraham Hirschfelder, einen der so grundlos verhaßten Israeliten einzuladen? »Du scheinst dien gar nicht zu freuen!« Abraham blieb vor seiner Frau stehen und blickte sie fest an.
    »Es will mir nicht gelingen, mich zu freuen, Herz. Ich hatte mich in der Rolle des ewig Verachteten im Lauf eines langen Lebens abgefunden. Und beim gerechten Gott, es scheint mir wahrlich etwas seltsam, daß ausgerechnet Graf Eberstein auf den Gedanken kommt, die unsichtbare Schranke zu öffnen. Nein, Judith, ich traue dem Frieden nicht. Irgend etwas steckt dahinter. Wenn ich nur wüßte, wasl« »Willst du die Einladung nicht annehmen?«
    Der alte Mann mit dem weißen Haar und den klugen Augen stand etwas hilflos vor ihr. Dann hob er resigniert die hängenden Schultern.
    »Was bleibt mir anderes übrig? Es käme einer Beleidigung gleich, diese Einladung auszuschlagen. Wenn es nur nicht die Ebersteins wären!«
    »Denke an unsere Tochter, Abraham. Hier bietet sich endlich die Gelegenheit, sie in die Gesellschaft einzuführen. Ist es nicht genug, daß wir unser Leben lang Verstoßene waren? Sollte man nicht sogar ein Opfer auf sich nehmen, um unserer Rachel den Weg freizumachen, den Weg, den alle jungen Mädchen der Stadt gehen?«
    »Du bist eine gute Mutter. Dein Herz ist von Gold. Es leuchtet schöner als diese Brillanten. Sehen wir, was uns der Sonnabend bringt.«
    Die beiden alten Leutchen blickten einander tief in die Augen. Auch heute war, wie in allen entscheidenden Fragen des Lebens, Einverständnis zwischen ihnen.
    Als man beim Essen darauf zu sprechen kam, erfuhr auch Rachel davon. Ihre schwarzen Augen blickten erstaunt von Mutter zu Vater und von Vater zu Mutter. »Graf Eberstein?« fragte sie. »Und ich soll auch mitgehen?«
    »Ja, Kind«, sagte die Mutter. »Für dich ist es ganz besonders wichtig.« »Wichtig für mich? - Weshalb?«
    »Es kann das Ende deiner Isolierung bedeuten. Du bist jung und schön. Und du wirst junge Männer aus wirklich guten Kreisen kennenlernen.«
    »Ich mag gar keine Männer aus diesen Kreisen«, erklärte Rachel kategorisch.
    »Du bist unser einziges Kind«, erwiderte die Mutter. »Für dich hat der Vater sein Leben lang gearbeitet. Alles, was wir besitzen, wird einmal dir gehören. Was aber kann dir aller Reichtum nützen, wenn dich die Gesellschaft nicht anerkennt?«
    »Oh, sie ist mir gleichgültig, diese Gesellschaft. Ich mag sie nicht, diese jungen Herrn, diese Offiziere, die glauben, der Wert eines Mannes werde durch Uniformen und Orden bestimmt. Herr

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