Tödliche Feindschaft
gehören. Ein Narr hatte keine Aussicht, sie zu gewinnen. Das war klar.
Auch der alte Graf war Menschenkenner. Er trat zu seinem Sohn und nickte.
»Recht so, Rudolf«, flüsterte er. »Du bist der einzige, der es richtig anfängt. Diese kleine, schwarze Krabbe ist intelligent. Sie würde niemals auf einen dieser Laffen hereinfallen. Du mußt ihr gegenüber den vollendeten Kavalier spielen. — Die Brillanten übrigens, die sie angelegt hat, sind gut und gern zehntausend Dukaten wert. Ich sage dir, der Alte hat's. Wenn uns dieser Schachzug gelingt, dann sind wir alle Sorgen los.« Rudolf nickte. »Man scheint sie ja zu akzeptieren, obwohl sie Juden sind.«
»Man wird zumindest das Mädchen akzeptieren müssen; denn die anderen sind Gänse gegen sie. Blind wäre der, der das nicht sähe. Parbleu, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre ...«
Im Verlauf des Abends bat auch Rudolf Rachel um einen Tanz. Er wurde ihm ohne weiteres
gewährt. Rachel war aufgeschlossen und munter. Rudolf von Eberstein machte ihr beim Tanz
keine Komplimente. Ganz beiläufig fragte er:
»Gefällt Euch der heutige Abend?«
Sie nickte begeistert.
»O ja, ich hätte nicht geglaubt, daß es so nett werden würde.«
»Ihr gestattet«, lächelte er, »daß ich dieses Kompliment meinem Vater mitteile? Er wird sich
sehr darüber freuen.«
»Aber selbstverständlich, Graf.«
»Oh, bitte, laßt den Grafen weg. - Wie gefallen Euch die übrigen Gäste?«
Sie lachte ihn an.
»Teils, teils«, sagte sie. »Manche sind ein wenig komisch.«
»Ich auch?« fragte er.
Sie blickte ihn voll an.
»Nein«, erwiderte sie ernst. »Ihr nicht. Ich muß — ich bin...«
»Sprecht es ruhig aus, gnädiges Fräulein.«
»Ich will es sagen, ich bin angenehm enttäuscht. Nach dem, was man so von Euch hört...« »Ihr habt mich für einen halben Menschenfresser gehalten, nicht wahr?«
»Wenn auch nicht gerade das, so doch für unnahbar, unzugänglicher.« Sie schwiegen eine Weile.
»Man soll auf das Geschwätz der anderen nichts geben. Man muß sich immer selbst überzeugen«, sagte er weltmännisch.
»Ich glaube auch. Jedenfalls möchte ich es nicht versäumen, Euch für die Einladung zu danken.« »Oh, was das anbelangt, so habe ich Euch zu danken, nämlich dafür, daß Ihr gekommen seid.« Er verbeugte sich galant und küßte ihr die Hand. Der Tanz war zu Ende.
26
An einem der nächsten Tage fragte der alte Eberstein seinen Sohn:
»Na, gefällt sie dir?«
»Nicht übel, Papa.«
»Dann zaudre nicht lange. Mach einen Gegenbesuch. Reite mit ihr aus. Führe sie und ihre Eltern ins Theater.«
»Du mußt mir schon noch ein wenig Zeit lassen. Ich kann mich nicht so schnell daran gewöhnen, daß es mit Charlotte aus sein soll.«
»Was heißt aus sein? Es hatte doch noch gar nicht angefangen.« »Du verstehst mich nicht.«
»Mon Dieu, ich verstehe alles. Ich kann sogar begreifen, daß die Heirat mit Charlotte Eck zur Vollendung deiner Rache an diesem widerlichen Deserteur Baum gehört. Aber wozu noch Rache an Toten? Geld ist wichtiger.«
Rudolf von Eberstein sah an seinem Vater vorbei. Plötzlich wandte er ihm den Blick zu. »Baum ist nicht tot.«
Dem Alten blieb der Mund offenstehen. »Was — was soll das heißen?«
»Ich habe ihn in die Sklaverei verkauft. Er wird sich, wie ich hoffe, zu einem guten Sklaven entwickelt haben. Der Preis für ihn waren ein paar Fässer Wasser.«
Der Alte ließ sich in einen Sessel nieder. Mit weitaufgerissenen Augen starrte er seinen Sohn an. »Du — du — hast — ihn — in die Sklaverei — verkauft? — Ich fasse es nicht!«
Rudolf von Eberstein erzählte dem Alten die Umstände, unter denen es geschehen war, wahrheitsgemäß. Der alte Graf schlug sich auf die Schenkel, daß es krachte. Lautes Gelächter kam aus seinem Mund.
»Parbleu, wenn das der alte Baum wüßte! Wenn das Charlotte Eck wüßte ! Es ist köstlich. So hat der Frechling eine Strafe bekommen, von der sich hier kein Mensch eine rechte Vorstellung zu machen vermag. Magnifique — excellent!«
»Nun, es besteht durchaus die Möglichkeit, daß er eines schönen Tages wieder auftaucht. Er war ein unbeugsamer Bursche. Weshalb sollte es ihm nicht gelingen, der Sklaverei zu entrinnen?« »Nun, und?«
»Stell dir sein Gesicht vor, wenn er wiederkommt und Charlotte Eck mit mir verheiratet ist! Aber das ist es nicht allein. Ich mußte jener Seeräubergräfin, die mich damalsvon dem verlassenen Schiff rettete, schwören, daß ich Charlotte heimführen würde. Aus
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