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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Fremde wandte sich dem Musiker zu, der sich mühselig wieder von der Erde aufrappelte. »Hat Euch der grobschlächtige Bursche sehr weh getan?«
    »Oh, Herr, zu gütig, daß Ihr Euch meiner annehmt. Aber es ist nicht der Rede wert. Ich werde
hier oft beschimpft.«
»Weshalb geht Ihr dann nicht fort?«
    Jehu Rachmann wurde rot. Er blickte zu Boden. Dann flüsterte er fast unhörbar: »Jeder muß dort bleiben, wo er sein Brot findet.« »Aber Ihr könnt doch viel mehr, als hier Tanzmusik machen !«
    Noch ehe Jehu etwas erwidern konnte, wurde der Fremde von hinten gepackt. Der Schmied schien sich darauf besonnen zu haben, daß er sein Prestige nicht verlieren dürfe. Aber er hatte die Rechnung ohne den zweiten Mann gemacht. Der sah kaum, wie der Schmied nach dem Kragen seines Begleiters packte, als er ihn mit einem kurzen ausländischen Fluch zurückriß, und zwar so schwungvoll, daß der Schmied über eine Bank stolperte und der Länge nach über den Tisch fiel.
    Dem Schmied traten die Augen aus den Höhlen. Das war ihm noch nicht passiert, daß jemand wie mit einem Federball mit ihm spielte. Im Aufstehen stürzte er sich auch schon auf den Mann, der es gewagt hatte ihn anzufassen.
    »Du hast es gewagt, du Lauser, den Schmied Peter Brumbach anzufassen?«
    Der Fremde schien nicht zu verstehen. Da wandte sich derjenige um, der noch mit Jehu sprach, und meinte:
    »Mein Freund ist Eurer Sprache nicht mächtig. Aber eines will ich Euch sagen: wenn Ihr Euch nicht mucksmäuschenstill verhaltet, so werden morgen wunderschöne blaue Veilchen auf Euren Augen blühen.«
    »Das mir?« brüllte der Schmied und wollte sich auf den Sprecher stürzen.
    Da packte ihn der andere an Kragen und Hosenboden, hob ihn empor, schwang ihn wie ein kleines Kind über den Kopf, und plötzlich sauste der schwere Körper des Schmieds durch das Fenster, das in Scherben ging, und landete auf der Straße.
    Jetzt begannen die übrigen Gäste Krach zu schlagen.Auch der Krugwirt kam wütend hinter seiner Theke hervor.
    »Herr, Ihr habt mein Fenster zerbrochen. Ihr müßt es bezahlen.«
    Der Deutschsprechende nickte nur, nahm einen Beutel hervor, zog ein Goldstück heraus und
überreichte es dem Wirt.
»Genügt Euch das?«
»O — Herr — das — das ist viel zu —, das ist viel zu viel.«
»Behaltet es.«
    Der Wirt machte einen tiefen Bückling. So spendable Gäste kamen selten in seinen Krug. Der Fremde, der noch immer die dukatenträchtige Börse in der Hand hielt, wandte sich jetzt an die Gäste und meinte :
    »Ich gebe eine Runde Freibier aus, wenn Ihr den Herrn Musikus ein wenig für mich spielen laßt.«
    Der Unmut der anderen wandelte sich fast augenblicklich in jubelnde Zustimmung. Der Wirt und dessen Pflegetochter Maria, jenes Mädchen, das der Pfeifer damals vor der unflätigen Bedrängnis durch den Grafen Eberstein bewahrt hatte 1 , hatten alle Hände voll zu tun, um die Humpen zu füllen.
    Jehu Rachmann stand etwas unglücklich abseits. Er glaubte nichts anderes, als daß man ihn nun hinauswerfen würde. Und dabei mußte doch das neue Hammerklavier aus Freiberg jeden Tag eintreffen. Oh, ein Unglück kommt selten allein. Alles schien sich gegen ihn verschworen zu haben.
    Plötzlich rann eine Träne über seine Wange. Der heutige Tag hatte zuviel Aufregungen für ihn gebracht.
    Der Fremde sah es, er war ehrlich bestürzt über die Traurigkeit des anderen.
»Was ist Euch?« fragte er voller Teilnahme.
Jehu schüttelte nur den Kopf.
    »Wenn ich Euch zehn Dukaten gebe«, flüsterte der Fremde, »würdet Ihr dann für mich die Tokkata und Fuge in d-Moll spielen?«
    Jehus Gesicht hellte sich augenblicklich auf. Ein Mann, der Bach kannte, der ihn so sehr lieben mußte, daß er gleich zehn Dukaten für ein Stück von ihm bot, war in diesem Krug hier wahrscheinlich nur alle hundert Jahre einmal anzutreffen. Aber nicht das Geld reizte ihn, sondern die Freude, daß jemand bewußt zuhören wollte.
    »Seid nicht böse, Herr, aber ich will Euer Geld nicht. Und wenn Ihr meint, daß Euch die fehlenden Manuale der Orgel beim Genuß der Tokkata und Fuge nicht stören, so will ich mein Bestes tun, um Euch das Stück so gut wie möglich wiederzugeben.« Siehe »Der Pfeifer« Bd. l : »El Silbador«
    »Ich bitte Euch darum.«
    Jehu setzte sich. Der Fremde konnte sehen, wie er sich sammelte. Sogar das Lachen und Schwatzen der Zuschauer verstummte, als das Spiel aufklang. Trotz der schlechten, durch die Unzulänglichkeit des Instruments hervorgerufene Wiedergabe

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