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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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abfallen.
— Habe immer gewußt, daß Ihr nicht kleinlich seid. Na, ist ja auch Eure Pflicht, den Ruf Eurer
Tochter zu retten. — Grüß Gott.«
Polternd wandte er sich um und verließ das Zimmer.
    Ein Stöhnen entrang sich der Brust des alten Hirschfelder. Rote Ringe tanzten vor seinen Augen. Plötzlich vermeinte er die Decke auf sich zukommen zu sehen. Er wollte sich an dem Sekretär festhalten, griff jedoch ins Leere. Mit einem Aufschrei sank er zusammen.
    In diesem Moment betrat Frau Judith das Zimmer. Erschrocken stürzte sie sich auf ihren Mann, als sie ihn am Boden liegen sah. Sie kniete neben ihm. Sie rüttelte ihn. Mit zarten Fingern strich sie ihm über die hohe, von Gram und Alter zerfurchte Stirn. Aber Abraham gab kein Lebenszeichen von sich. Sofort schickte sie das Dienstmädchen zum Arzt.

    39

    In Jehu Rachmanns Zimmer im Krug sah es um diese Stunde nicht schön aus. Jehu, der Abend für Abend bis spät in die Nacht hinein in der Kneipe zum Tanz aufspielen mußte, pflegte sehr spät aufzustehen. Irgendwann mußte der Mensch schlafen.
    Gerade war er dabei, sich den Bart zu schaben, als es ungestüm an seine Tür klopfte. Fast hätte
sich der junge Musiker geschnitten. Er setzte das Messer ab und rief mit unwilliger Stimme :
»Herein.«
Die Tür sprang auf, und in ihrem Rahmen erschien Rachel.
Jehu Rachmann war starr.
»Du — du?« stammelte er.
    Sie ließ sich weder von dem unaufgeräumten Zimmer, noch von dem halbeingeseiften Gesicht Jehus abschrecken. Die Tür hinter sich zuschlagend, stürzte sie dem erstaunten jungen Mann an die Brust und weinte hemmungslos.
    Jehu wischte sich den Rest des Seifenschaums mit einem Handtuch aus dem Gesicht.
    »Mein Gott, Rachel, was ist denn geschehen? — Ich war schon fast verzweifelt, daß ich dich so lange nicht sehen konnte. Wo hast du gesteckt?«
    »Oh, Jehu«, weinte sie, »ich wollte dich eigentlich nie wiedersehen. Ich war im Haus im Wald. Oh, es steht schlimm mit den Hirschfelders. Sie haben uns ruiniert, ruiniert.« »Wer? - Was ist denn los?«
    Rachel faßte sich nach einer Weile. Unter verzweifeltem Schluchzen erzählte sie ihm alles, was sich abgespielt hatte, seit sie sich zum letztenmal gesehen hatten.
    Die Augen des jungen Musikers brannten, sie loderten förmlich vor Haß. »Gibt es denn so etwas?«
    »Oh, sie sind so schlecht. Ich habe noch nie niederträchtigere Menschen kennengelernt.« Jehu stand auf und schritt im Zimmer auf und ab. Er überlegte krampfhaft, wie er dem geliebten Mädchen und der ganzen Familie helfen könnte. Er wußte nur zu gut, daß er in den Augen der oberen Zehntausend von Kassel ein Nichts war. Seine Macht würde nicht entfernt so weit reichen wie die des Abraham Hirschfelder. Wer kannte Jehu Rachmann? Wer würde es überhaupt für der Mühe wert halten, sich mit seinen Klagen zu befassen, wenn er diese einem Gericht vortrug?
    Verzweifelt fuhr er sich durch das dichte Haar. Dann faßte er einen Entschluß.
    »Wenn ich schon keine direkte Hilfe leisten kann«, sagte er, »so will ich wenigstens mit dir zu deinen Eltern gehen. Wir wollen das Leid gemeinsam tragen. Vielleicht kann dein Vater einen jungen Mann zur Unterstützung gebrauchen. Es wird mir nichts zuviel sein, um euch zu helfen.« — Er richtete sich zu voller Größe auf. — »Der Herr möge sie verderben, die Rache ist Gottes.«
    Rachel ging aus dem Zimmer. In der Gaststube wartete sie, bis Jehu fertig war. Dann liefen sie eiligen Schrittes durch die Straßen, bis sie zu Hause anlangten. Sie gingen die Treppe empor. Rachel wollte die Köchin etwas fragen, als diese den Zeigefinger auf den Mund legte.»Sei ruhig, Rachel, Kind, der Doktor ist bei deinem l Vater. Es scheint ihm sehr schlecht zu gehen.« »Was war?«
    »Oh, deine Mutter fand ihn auf der Erde liegen. Wir hoben ihn auf das Bett, und das Mädchen holte den Arzt. Dann habe ich dich gesucht; aber ich konnte dich nicht finden.«
    Sie warteten.
    Nach geraumer Zeit, es mochte etwa eine halbe Stunde vergangen sein, öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer, und der alte Hausarzt trat heraus. Neben ihm, auf seinen Arm gestützt, wankte Frau Judith. Ihre sonst so lebhaften Augen glichen erloschenen Sternen. Nicht einmal die Kraft zu weinen hatte sie.
    Rachel starrte sie entsetzt an. Mit einem Schritt war sie neben ihr.
»Was ist? — Mutter, so rede doch.«
Frau Judith schüttelte nur langsam den Kopf.
»Dein Vater, Rachel«, sagte der alte Arzt, »ist tot.«
    »Nein! — Nein!« schrie Rachel. Dann preßte

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