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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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davor haben. Aber der Degen genügt.«
    Die beiden gingen hinunter in den Tabakladen, und Michel nahm den Damaszenerstahl von der Wand. Nach einem letzten Händedruck verließ er das Haus. —
    Es fiel Michel, nachdem er das Zimmer, das er gemeinsam mit Ojo bewohnte, betreten hatte, nicht leicht, seinen Freund wach zu bekommen. Ojo schnarchte mit einer Inbrunst, die er von jeher gewöhnt war. Ojos Tief schlaf war wieder einmal von dem Inhalt eines Kruges verursacht worden, der neben seinem Bett stand. Bis auf den Grund hatte er ihn geleert. »He, amigo, wach auf«, rüttelte ihn Michel. Der spanische Riese rührte sich nicht.
    Michel blickte sich im Zimmer um und sah eine Wasser-kanne auf dem Waschtisch stehen. Sie
war gefüllt. Er nahm sie, hielt sie hoch über Ojos Kopf und drehte sie mit einem Schwung um.
Gurgelnd, stöhnend und prustend kam Ojo zu sich.
»Demonio, qué hay?« fragte er.
    »Noch nichts. Aber es kann bald etwas los sein. Tut mir leid, daß ich dich auf diese Weise wecken mußte; aber es blieb mir nichts anderes übrig. Eberstein hat wieder einmal einen Menschen in seinen Klauen, den es zu retten gilt.«
    »Bueno, Señor Doktor, bin schon da. Der Wein hier war verteufelt sauer. Ist mir nicht
leichtgefallen, den ganzen Krug auszutrinken.«
»Weshalb hast du dann nicht etwas drin gelassen?«
    »Ich hatte keinen Deckel. Ich wollte nicht, daß die ganze Bude hier nach Wein stinkt, wie eine Kneipe, wenn Ihr nach Hause kommt. Ihr wißt, ich bin zu jedem Opfer der Freundschaft bereit.« Michel lachte laut. Es war ein befreiendes Lachen. Hier, in der Gesellschaft Ojos, fühlte er sich am wohlsten. Ojo war ein Stück Abenteuer, ein Stück Welt. Sein Vorhandensein erinnerte ihn daran, daß alles, was er seit seiner Ankunft in Hamburg erlebt hatte, nur Zwischenspiel war, eine Episode, die bald wieder ihr Ende finden würde. Und das Wissen darum, daß er nicht für immer zurückgekehrt war, erleichterte ihn. Tief im Innern war er sich darüber klar, daß er keinerlei Sehnsucht nach dem sogenannten bürgerlichen, wohlbehüteten Leben in einer europäischen Stadt hatte.
    »Mir gefällt es hier gar nicht«, brummte Ojo und kroch aus dem nassen Bett. »Es ist alles so stockig und dumpfig. Man hat immer den Eindruck, als ob man nie wieder freie Luft atmen sollte. Und dann die verteufelte Sprache, in der sich die Leute hier unterhalten. Verzeiht, Señor Doktor, ich weiß, daß es Eure Muttersprache ist; aber die Worte sind so unaussprechlich für meine Zunge, daß ich sie einfach nicht lieben kann. Eine Stunde hat es gedauert, bis der Wirt verstanden hat, daß ich keinen Krug voll Bier, sondern voll Wein haben wollte.«
    »Sei nicht traurig, Diaz. Du brauchst nicht hier zu bleiben. Nur noch ein paar Tage, dann ziehen
wir weiter. Zuvor aber haben wir noch eine Aufgabe zu erfüllen, deren Vollendung uns niemand
abnimmt.«
»Eberstein?«
»Ja.«
    »Der Grimm könnte mich übermannen, wenn ich mich daran erinnere, wie er uns einmal für ein paar Fässer Wasser in die Sklaverei verkauft hat. Wollt Ihr ihn vielleicht auch schonen?« »Schonen? — Nein. Aber wir werden unsere Hände nicht mit seinem Blut besudeln.« »So. Und was jetzt?«
    Michel setzte sich auf den Rand des Bettes und berichtete alles, was vorgefallen war.

    49

    Es mußte noch sehr früh am Morgen sein, als Jehu Rachmann durch Klopfen an der Tür aus dem Schlaf gerissen wurde. Auch in der vergangenen Nacht hatte er wieder lange zum Tanz aufspielen müssen; und so kam es, daß er das Gefühl hatte, als sei er gerade erst zu Bett gegangen. Schlaftrunken taumelte er hoch und öffnete die Tür.
    »Entschuldigt die Störung, Jehu«, sagte Michel. »Es ist etwas vorgefallen, das mich veranlaßt
hat, Euern wohlverdienten Schlaf zu stören. Würdet Ihr hinüber in unser Zimmer kommen?«
»Ich komme«, antwortete der junge Musiker.
Michel nickte und ging.
Die beiden Freunde mußten nicht lange warten. Es vergingen keine zehn Minuten, bis Jehu
Rachmann das Zimmer betrat.
»Nehmt Platz«, forderte ihn Michel auf.
    Dann berichtete er auch ihm, was er zuvor schon Ojo erzählt hatte.
    »Kein Mensch kann wissen«, endete er seine Erzählung, »wie das alles ausgehen wird. Jedenfalls muß ich meinen Vetter aus den Klauen dieses Eberstein befreien. Ihr sollt mir nicht helfen. Das mute ich Euch nicht zu; denn die Abrechnung mit Eberstein ist allein meine Sache. Aber etwas anderes bedrückt mich sehr. Wir haben in unserem Gepäck ungeheure Werte bei uns. Diese dürfen

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