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Tödliche Feindschaft

Tödliche Feindschaft

Titel: Tödliche Feindschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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konstruieren wollte, so entsprach es keinesfalls der üblichen Behandlung von Offizieren, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, daß er vom Fleck weg arretiert wurde. Gemeinhin bekam man in solchen Fällen höchstens Stubenarrest. Erst die Gerichtsverhandlung mußte erweisen, daß man sich wahrhaftig eines Vergehens schuldig gemacht habe.
    »Ein Lump ist er«, murmelte Richard Baum vor sich hin. »Ein großer Lump. Michel hatte nur zu recht, wenn er ihn Schweinehund nannte.«
    In ohnmächtigem Grimm ballte er die Fäuste. Es war schon eine Gunst des Schicksals, daß er als Bürgerlicher überhaupt Premierleutnant geworden war. Nun aber würde ihm das zum
    Verhängnis werden; denn er konnte sich jetzt schon ausmalen, daß die adligen Offiziere, die über ihn zu Gericht sitzen würden, kein gutes Haar an ihm ließen. Sie klebten auch sonst zusammen wie Pech und Schwefel. Die einzige Ausnahme war eigentlich immer Eberstein gewesen. Aber wahrscheinlich beruhte dessen Freundschaft zu dem bürgerlichen Premierleutnant nur auf dem Nutzen, den der Major davon hatte.

    47

    Herr Eck trug die Überraschung mit Fassung, als Michel vor ihm stand. Nicht so einfach ging es bei seiner Frau ab. Eine tiefe Ohnmacht umfing sie. Sie glaubte nicht anders, als daß der Tote wieder auferstanden sei. Vater und Tochter betteten sie besorgt auf eine Chaiselongue. Der Vater schloß seine Tochter gerührt in die Arme und meinte:
    »So hat denn Gott deine unwandelbare Treue doch belohnt, mein Kind. Und niemand ist glücklicher als ich.«
    »So möchte ich denn«, meinte Michel, »in aller Form um die Hand Eurer Tochter anhalten, Herr Eck. Ihr werdet sie mir doch hoffentlich nicht verweigern?« Er lächelte. Vater Eck entließ Charlotte aus seiner Umarmung.
    »Ich glaube«, meinte er, »Ihr habt die letzte Frage nicht im Ernst gestellt, Michel. — Und dennoch habe ich einige Besorgnisse. Wird man Euch in Kassel ungeschoren lassen? Wird man nicht versuchen, Euch wieder einzusperren? Am besten wäre es wohl, unseren Rechtsanwalt aufzusuchen, damit er uns sage, wann eine Desertion verjährt.«

»Ich wußte«, sagte Michel, »daß Ihr davon sprechen würdet. Und ich weiß auch, daß man mich nicht in Ruhe lassen würde, selbst wenn die Desertion verjährt wäre. Ich bin der festen Überzeugung, daß Eberstein alle Hebel in Bewegung setzen würde, um sich auf indirekte Weise an mir zu rächen. Aber dem wollen wir zuvorkommen. Und so muß ich Euch noch eine Eröffnung machen, die Euer Vaterherz wahrscheinlich mit Betrübnis erfüllen wird.« »Sprecht, ich bin auf alles gefaßt.«
    »Nun, wir werden den Herrschaften hier in Kassel erst gar keine Gelegenheit geben, an uns, das
heißt an mir, ein Exempel zu statuieren. Wir werden uns so schnell wie möglich trauen lassen
und dann weggehen — für immer.«
»Ihr wollt für immer weg? Wohin?«
»Nach den Vereinigten Staaten von Amerika.«
»Das ist doch nicht Euer Ernst!«
    »Doch. Es bleibt mir ja keine andere Wahl. Zudem glaube ich auch nicht, daß ich geschaffen wäre, in der vorurteilsvollen Enge des heutigen Deutschland zu leben. Ich muß freie Luft atmen. Und nicht nur das, ich will auch, daß meine Kinder in einem freien Land aufwachsen. Sie sollen die Luft eines unermeßlichen Kontinents atmen. Sie werden aufwachsen, ohne die politische Enge zu spüren, die sie hier umgeben würde. Meine Kinder sollen keinem Fürsten Untertan sein.«
    »Ja, ja«, murmelte der alte Eck. »Ich verstehe Euch schon, Ihr müßt ja die Welt mit anderen Augen sehen als wir hier. Ihr wart so lange draußen. Aber Eure Stimme ist die der Revolution, die der Unduldsamkeit.«
    »Revolution ist nicht immer Unduldsamkeit«, warf Michel ein. »Es kommt darauf an, was der einzelne Mensch daraus für sich macht. Mit der Revolution muß man bei sich selbst anfangen. Und das habe ich getan. Und Ihr könnt Euch darauf verlassen, ich habe auf meiner langen Reise gelernt, daß Unduldsamkeit das schlimmste Verbrechen ist.« »Aber, Charlotte, wirst du die Strapazen überstehen?«
    »Welche Strapazen?« fragte Michel. »Nun, sie wird das Leben eines Pioniers leben müssen. Bis zu diesem Tag war sie in behüteter bürgerlicher Umgebung. Wer dorthin geht, in Euer Land der Freiheit, muß hart sein, um den Kampf um die Existenz zu bestehen.«
    »Normalerweise wären Eure Bedenken gerechtfertigt«, lächelte Michel, »aber es ist doch manches anders geworden in den letzten Jahren. Ich gehe heute nicht als mittelloser Mann nach

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