Tödliche Feindschaft
nicht in die Hände unrechter Menschen fallen. Ich möchte, daß Ihr sie in Verwahrung nehmt, um sie in dem Fall, daß mir irgend etwas zustößt, Charlotte Eck zu übergeben. Zuvor aber noch eine Frage: Ihr habt mir von dem tragischen Geschick Abraham Hirschfelders berichtet. Auch davon, daß Eberstein ihn erpreßt hat. Und so viel ich Euern Worten entnehmen konnte, habt Ihr noch immer die Absicht, das Mädchen als Eure Frau heimzuführen.« Jehu Rachmann nickte.
»Nun«, sagte Michel, »glaubt Ihr, daß es für Euch gut sein wird, wenn Ihr hier in Kassel bleibt?« »Ich würde gern woanders hingehen. Aber dann müßte ich mich von Rachel trennen. Hier habe ich mein Auskommen. Ihr werdet verstehen, daß ich nicht vom Vermögen meiner Frau zu leben beabsichtige.«
»Eben, darum habe ich Euch gerufen. Versteht Ihr etwas von Diamanten?«
»Eine ganze Menge«, antwortete Jehu. »Herr Hirschfelder hat mir oft geschildert, wie man den Wert eines Diamanten beurteilt. Er hielt nicht viel von der Musik. Ich glaube, er wußte, daß ich die ernste Absicht hatte, seine Tochter zu heiraten. Und so versuchte er auf seine Weise, mich wenigstens in die Grundbegriffe des Diamantenhandels einzuführen. Es war interessant, und so kommt es, daß ich eine ganze Menge davon weiß.«
»Um so besser. — Ist es Euch möglich, den Wert dieses Steins abzuschätzen?«
Michel zog einen der ungeschliffenen Diamanten von der gleichen Sorte, wie er Eck einen gegeben hatte, aus der Tasche. Er warf ihn über den Tisch, so, daß Jehu ihn auffangen konnte. Jehu bekam riesengroße Augen. Er hielt ihn ganz dicht in den Schein einer Kerze. Er drehte und wandte ihn nach allen Seiten.
»Ein Prachtexemplar«, sagte er. »Einen solchen Stein habe ich noch nie gesehen. Und er scheint vollkommen rein zu sein.«
»Er ist rein«, sagte Michel. »Wie hoch schätzt Ihr seinen Wert?«
»Das — das kann ich nicht. Ich kenne einen aus der Werkstatt Hirschfelders, der ist halb so groß wie dieser hier. Hirschfelder bezifferte seinen Wert auf annähernd dreißigtausend Dukaten.« »Wieviel von diesen Steinen würdet Ihr brauchen, um mit Eurer Braut und ihrer Mutter irgendwo ein neues Leben anzufangen?« »Das — das — verstehe ich nicht.«
»Was ist daran unverständlich? — Nehmt an, Ihr würdet nach Amerika gehen. Ich weiß, daß viele Menschen Eures Glaubens dorthin gegangen sind, um als gleichberechtigte Menschen in Freiheit zu leben. Erwägt diesen Gedanken einmal.«
»Amerika?« Jehus Augen glänzten. »Meint Ihr, daß ich auch dort Musik machen kann?« »Warum sollte man es nicht können? Ich bin davon überzeugt, daß ein junger, begabter Musiker drüben mehr Chancen hat als hier.«
»Ich ginge sofort. Aber nicht ohne Rachel. Sie ist mir mehr wert als alle Diamanten der Welt und — als die Freiheit.«
»Ich habe Achtung für Euer Gefühl. Aber auch Rachel ist jung. Weshalb nicht auf einem jungen Kontinent ein neues Leben anfangen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet? Viele sind ausgewandert, denen die Heimat zu eng geworden ist. Und es war nicht nur die Enge des kleinen Erdteils, die sie hinaustrieb, sondern vor allem die Enge des Geistes. Es gibt Menschen, die nicht zu leben vermögen, ohne frei und offen ihre Meinung sagen zu können.«
»Ihr mögt recht haben, Herr Baum. Ich habe eigentlich noch nie darüber nachgedacht. Nur eines schmerzt mich sehr. In den nächsten Tagen muß der Krugwirt das neue Hammerklavier bekommen. Es wird mir schwerfallen, mich von diesem neuen Instrument zu trennen.« »Kauft Euch selbst eins«, sagte Michel. Er griff abermals in die Tasche und brachte dann die geschlossene Hand zum Vorschein, die er auf den Tisch legte und öffnete. Drei Steine von der gleichen Güte wie der erste glänzten im Kerzenlicht.
»Hier«, sagte er, »davon könnt Ihr die Überfahrt bezahlen, könnt Euch ein halbes Dutzend Hammerklaviere kaufen, könnt Euch ein Haus in Amerika bauen, braucht nicht für Geld zu arbeiten, sondern könnt Eure Zeit dazu verwenden, Euch im Klavierspiel zu vervollkommnen. Ich glaube auch nicht, daß man Euch drüben daran hindern wird, Orgel in einer christlichen Kirche zu spielen.«
Jehu fuhr von seinem Stuhl auf. Er starrte Michel wie ein Wesen aus einer anderen Welt an. »Wollt Ihr — wollt Ihr damit sagen, daß Ihr mir diese Steine — diese Steine —«
»Ja, genau das wollte ich sagen. Hier, nehmt sie, und verlaßt Euch darauf, ich werde auch
herausfinden, um wieviel Geld Eberstein die
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