Tödliche Flammen: Roman (German Edition)
angesprochen.«
»Psst. Schau mal.« Sie legte den Arm um Ginas Taille und zog sie mit sich zurück um die Ecke, als Mrs Pastorelli die Tür öffnete. »Sie will sie nicht hineinlassen.«
»Warum nicht?«
Es kostete Reena enorme Willenskraft, es nicht ausführlich zu schildern, aber sie schüttelte nur den Kopf. »Sie zeigen ihr ein Blatt Papier«, sagte sie schließlich.
»Sie wirkt verängstigt. Jetzt gehen sie hinein.«
»Wir warten.« Sie ging zum Bordstein, um sich dort zwischen den parkenden Autos hinzusetzen. »Hier können wir bleiben.«
»Aber wir sollten sofort zu dir nach Hause gehen.«
»Das ist etwas anderes. Du kannst gehen und meinem Dad Bescheid sagen.« Sie sah zu Gina auf. »Geh zu meinem Haus und erzähle es Dad. Ich werde hier warten und schauen, was geschieht.«
Während Gina loslief, setzte sich Reena auf den Randstein und behielt die immer noch zugezogenen Vorhänge im Auge.
Als ihr Vater allein zurückkam, stand sie auf.
Er sah sie an und hatte mit einem Mal das Gefühl, kein Kind mehr vor sich zu haben. In ihren Augen lag ein kalter, grimmiger Ausdruck, der sehr erwachsen wirkte.
»Sie wollte sie nicht ins Haus lassen, aber sie haben ihr ein Blatt Papier gezeigt. Ich glaube, das war ein Haftbefehl, wie in Miami Vice. Also musste sie sie hineinlassen.«
Er nahm ihre Hand. »Ich sollte dich nach Hause schicken. Du bist noch nicht einmal zwölf Jahre alt und solltest bei einer solchen Sache nicht dabei sein.«
»Aber du tust es nicht.«
»Nein.« Er seufzte. »Deine Mutter erledigt alles, wie sie sich das vorstellt. Sie hat ihren Glauben und ihr Temperament, einen messerscharfen Verstand und ein unglaublich großes Herz. Auch Fran besitzt einen starken Glauben und ein großes Herz. Sie glaubt, dass alle Menschen von Natur aus gut sind, dass es sich eher um eine Ausnahme handelt, wenn jemand schlecht ist.«
»Das trifft aber nicht immer richtig zu.«
»Nein. Bella konzentriert sich im Augenblick hauptsächlich auf sich selbst. Sie ist sehr mit ihren Gefühlen beschäftigt, und ob ein Mensch gut oder schlecht ist, interessiert sie im Moment wenig, solange es sie nicht betrifft. Wahrscheinlich wird sich das noch ändern, aber sie wird immer zuerst auf ihren Bauch hören, bevor sie nachdenkt. Und Xander hat von allen das sonnigste Gemüt. Er ist ein glückliches Kind, das keinen Ärger sucht.«
»Xander kam mir zu Hilfe, als Joey mir wehgetan hat. Er hat ihn vertrieben, und er ist erst neuneinhalb.«
»Das gehört zu seinem Naturell. Er will immer helfen, vor allem, wenn jemandem ein Leid zugefügt wird.«
»Weil er so ist wie du.«
»Das ist schön zu hören. Und du, mein Schatz.« Er beugte sich hinunter und küsste ihre Fingerspitzen. »Du gleichst deiner Mutter am meisten, hast aber auch etwas ganz Spezielles. Du bist sehr wissbegierig. Nimmst alle Dinge auseinander – nicht um zu sehen, wie sie funktionieren, sondern wie sie zusammenpassen. Als du noch klein warst, hat es nichts genützt, dir zu verbieten, etwas anzurühren. Du musstest es in die Hand nehmen, es fühlen und herausfinden, was damit los ist. Es hat nie viel Sinn gemacht, dir etwas zu sagen – du musstest immer alles für dich selbst entdecken.«
Sie lehnte den Kopf an seinen Arm. Die Hitze war erdrückend und machte sie schläfrig. Irgendwo in der Ferne grollte Donner. Reena wünschte, sie hätte ein Geheimnis, etwas Gewichtiges, Dunkles und Persönliches, um es mit ihm zu teilen. Sie wusste, dass sie ihm in diesem Moment alles anvertrauen könnte.
Da ging auf der anderen Straßenseite die Tür auf. Die beiden Kriminalbeamten brachten Mr Pastorelli heraus, einer links, der andere rechts von ihm. Er trug Jeans und ein schmuddeliges weißes T-Shirt. Sein Kopf war gesenkt, als sei er peinlich berührt, doch Reena sah an seinem Kinn und an der Art, wie er die Lippen zusammenpresste, dass er wütend war.
Einer der Polizisten trug einen großen roten Kanister, der andere eine riesige Plastiktüte.
Mrs Pastorelli stand an der Haustür und schluchzte laut. Sie hielt ein hellgelbes Geschirrtuch in der Hand und vergrub ihr Gesicht darin. Am linken ihrer weißen Turnschuhe hatten sich die Schnürsenkel gelöst.
Die Nachbarn kamen aus ihren Häusern, um die Szene zu beobachten. Der alte Mr Falco saß in seinen roten Shorts auf den Stufen; seine dürren weißen Beine waren gegen den Stein kaum zu sehen. Mrs DiSalvo blieb mit ihrem kleinen Sohn Christopher am Straßenrand stehen. Er leckte an einem Eis mit
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