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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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mussten Hunderte sein und das Motiv wiederholte sich mit grausamer Zwanghaftigkeit.  
    Nora versuchte, die Bilder zu erkennen. Zwei Schlangen, aufgerichtet, sich einander zuneigend, und in der Mitte ein Quadrat, darin ein Kreis mit Strahlenkranz, wie eine kleine Sonne.  
    Ohne zu überlegen, zog Nora ihr Handy aus der Tasche und schoss Fotos.
    »Was ist passiert?«, fragte sie die Mutter des kleinen Karl.
    »Das Mädchen tauchte auf, nahm meinem Sohn die Straßenkreide weg und fing an zu malen. Erst dachte ich mir nichts weiter dabei, aber sie hörte gar nicht mehr auf.«
    Nora sah einen leeren Kunststoffeimer neben Agniezka am Boden liegen, ein kümmerliches Häufchen bunter Kreidereste daneben.
    Agniezka hatte sich inzwischen daran gemacht, auch die letzte freie Fläche mit dem Schlangenmotiv zu füllen.
    Nora stieg über den Zaun, lief zu Agniezka, dann kniete sie sich neben das Mädchen und redete beruhigend auf es ein. »Lass gut sein, Agniezka. Komm, wir gehen nach Hause.«
    Nach Hause. Was für ein Witz, dachte Nora.
    Agniezka reagierte nicht. Wie in Trance zog sie ihre Striche auf der Betonfläche: eine Schlange, eine weitere Schlange, ein Quadrat, ein Kreis, Strahlen.  
    Dann sah sie Nora an. Sie hatte geweint. Nora nahm die kleine Hand und streichelte sie behutsam. Agniezka ließ die Kreidebrocken fallen. Dann lehnte sie ihren Kopf an Noras Brust.
    Als sie an Karls Mutter vorbeikamen, blieb Nora stehen und holte mit zittrigen Fingern einen Fünfeuroschein aus ihrem Portemonnaie.
    »Ist schon okay«, lehnte die Frau ab und blickte Agniezka mitleidig an. »Ist sie krank?«
    »So in der Art«, antwortete Nora knapp. Sie verließen den Spielplatz.  
    Sobald sie sich ein paar Meter entfernt hatten, hörte sie die Leute tuscheln. Erst jetzt spürte Nora, dass ihr das Herz bis zum Halse schlug.
    *
    Am späten Nachmittag hatte die Polizei die Sachen in Kan-thers Wohnung gebracht. Man hatte den Aluminiumtrolley in der Küche abgestellt, die ersten drei Kapitel von Rittkas Manuskript auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gelegt, in einer Klarsichthülle verstaut. Die Seiten waren hier und da zerknittert, auf dem obersten Blatt war ein Fleck zurückgeblieben. Offensichtlich hatten sich einige Leute mit dem Manuskript beschäftigt. Gottlob hatte es ein anderer verfasst, dachte Kanther erleichtert. Fremde, die sein unfertiges, unkorrigiertes Werk lasen – der absolute Horror.
    Den defekten Computer stellten sie daneben, machten Anstalten, ihn anzuschließen.
    »Lassen Sie, ich mache das schon«, hatte Kanther gesagt, sie aus dem Zimmer hinauskomplimentiert und die Tür hinter sich zugezogen. Die Polizei hatte schon genug angerichtet.
    Nun saß er in der Küche. Starrte abwechselnd auf die Wanduhr mit dem aufdringlichen Logo eines Weltkonzerns, auf Rittkas braunes Päckchen, das auf dem Tisch lag, und auf Siegfrieds Rollenkoffer.
    Er brauchte dringend etwas zu trinken.
    Kanther stöberte in den Küchenschränken und stieß dabei auf eine Kognakflasche, die noch einen Rest enthielt. Er goss die braune Flüssigkeit in ein Wasserglas. Es wurde kaum halb voll. Er stellte es auf den Tisch und nahm Platz. Einen Moment hielt er inne, dann hob er das Glas an die Nase. Gierig sog er den scharfen Geruch des hochprozentigen Alkohols ein, der ihm Tränen in die Augen trieb. Kan-ther blinzelte. Dann stellte er das Glas auf den Tisch zurück und betrachtete es eine Weile, als wäre es aus einer anderen Welt.
    Er ergriff den Umschlag, nahm den Inhalt heraus und löste vom Deckblatt eine gelbe Haftnotiz ab.
     
    Hochverehrter Mentor, meine Versuche, Ihnen das vierte Kapitel per E-Mail zu schicken, waren leider zum Scheitern verurteilt. Offenbar ist Ihr Postfach überfüllt, ich erhielt einige dementsprechende Fehlermeldungen. Danke für Ihre Unterstützung und entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.
     
    Jetzt verstand er, warum Rittka das Kapitel ausgedruckt und persönlich eingeworfen hatte. Kanther erhielt jeden Tag Dutzende E-Mails mit Spam, elektronischem Müll. Da er sein Postfach mehrere Tage nicht geöffnet und den Werbemüll gelöscht hatte, hatte der Provider das überfüllte Konto gesperrt.
    Dank der Polizei war sein Computer unbrauchbar, ein Zustand, an dem er vorerst nichts ändern konnte. Immerhin war Rittka dadurch gezwungen gewesen, ihm die Unterlagen persönlich zu bringen oder mit der Post zu schicken. Letzteres hinterließ Spuren, die sich zurückverfolgen ließen. Kan-ther war kein Experte, aber er vermutete,

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