Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
wie die meisten Gesichter, in die sie heute sah.
Nora stieg am Präsidium aus. Sie betrat das festungsartige Gebäude durch den Haupteingang, ging auf direktem Weg in ihr Büro, sammelte einige Unterlagen vom Schreibtisch ein und fuhr mit dem Aufzug wieder hinunter. Am Hinterausgang tippte sie einen Sicherheitscode ein. Mit einem Piepsen entriegelte sich das Schloss und Nora trat hinaus auf den Parkplatz. Eisige Luft schlug ihr entgegen, die Kälte ließ sie frösteln. In den Hof gelangte tagsüber nur selten ein Sonnenstrahl, hier war es deutlich kälter als vor dem Gebäude.
Nora schloss schnell ihre Jacke und ging, statt sich auf den gepflasterten Wegen zu halten, quer über den Platz zu ihrem Auto, das sie an der gegenüberliegenden Ecke des Innenhofes abgestellt hatte. Ihre Schritte und das leise Rauschen des Verkehrs auf der anderen Seite des Gebäudes waren die einzigen Geräusche, die man vernahm. Nora drückte auf die Fernbedienung für die Zentralverriegelung ihres Wagens. Die Türschlösser schnappten auf, begleitet von einem kurzen Aufleuchten der Blinker. Sie ließ sich auf den Fahrersitz fallen, zog die Tür zu, steckte den Schlüssel ins Zündschloss, schnallte sich an und betätigte den Anlasser. Nichts.
Nora hielt inne. Der Wagen hatte sie noch nie im Stich gelassen. Sie zog den Schlüssel ab, steckte ihn erneut ins Zündschloss und drehte ihn um – der Motor gab keinen Mucks von sich. Verärgert schlug sie gegen das Lenkrad. »So ein Mist!«
Jetzt musste sie den Weg zur Haltestelle zurücklaufen und mit dem Bus nach Hause fahren. Die Werkstatt würde erst morgen wieder erreichbar sein. Nora legte den Kopf aufs Lenkrad und lachte verzweifelt auf. Einen kurzen Moment verharrte sie in dieser Stellung. Als sie sich wieder aufrichtete und aus dem Seitenfenster blickte, starrte von draußen jemand zu ihr hinein.
Nora stieß einen spitzen Schrei aus. Instinktiv warf sie sich auf den Beifahrersitz.
*
Welches Ziel steuerte die Frau an?
In der hell beleuchteten U-Bahn hatte er noch Abstand gehalten, aber im Bus wurde nur an den Haltestellen das Deckenlicht eingeschaltet und selbst dann war es zu schummrig, um etwas zu erkennen. Also hatte er den Mut aufgebracht und sich neben sie gesetzt. Sein Vorteil war, dass sie ihn nicht kannte. Er brannte darauf, etwas über sie zu erfahren. Wollte ihre Kleidung ansehen, ihre Hände, die Haare, wollte wissen wie sie roch. Vor allem wie sie roch. Ob sie ein Parfüm verwendete und, wenn ja, welches.
Kurz darauf bat sie darum, aussteigen zu dürfen. Der Name der Haltestelle erschien auf einem Display über dem Fahrersitz:
Miquel- / Adickesallee / Polizeipräsidium
Die rote Schrift stach ihm wie glühende Kohlen in die Augen. Dann begann sie, in seinem Inneren ein Feuer zu entfachen.
Sie war Polizistin. Sein Mentor hatte sich mit einer Polizistin getroffen. Das war völlig unmöglich.
*
Nora lachte. Sie lag quer über dem Beifahrersitz in ihrem Auto und atmete erleichtert auf, während der Schreck langsam verebbte. Dann setzte sie sich auf und öffnete das Fenster auf der Fahrerseite. Gideon Richters Gesicht erschien, vom orangefarbenen Schein der Armaturen beleuchtet. Seine irritierte Miene war für Nora eine neue Erfahrung.
»Tut mir leid, hab ich Sie erschreckt?«
»Seien Sie bloß froh, dass ich keine Waffe trage«, sagte Nora. »Ich hätte Sie glatt erschossen.«
»Käme Ihnen das so ungelegen?«, gab Richter bissig zurück.
»Und wie! Dann hätte ich jetzt ein Loch in der Fahrertür.«
»Danke für das Mitgefühl. Ist was mit Ihrem Wagen?«
Nora zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er springt nicht an. Ist mir noch nie passiert.«
Richter steckte den Kopf hinein, studierte die Leuchtsymbole auf dem Tacho und schüttelte den Kopf. »Vielleicht liegt es an der Elektrik. Kann ich Sie nach Hause bringen?«
Nora überlegte. Sie hatte keine Lust, mit Richter eine halbe Stunde im Stau zu stecken und sich womöglich noch über den Fall zu unterhalten. Wie sie ihn kannte, hatten Hartmann und er bereits von ihrem Besuch bei Elizabeta erfahren. Nun würde er sicher versuchen, sie auszufragen. Aber sie wollte auch nicht gern alleine zur Bushaltestelle laufen.
»Ich nehme lieber den Bus, muss noch in die Stadt. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich bis zur Haltestelle begleiten.«
Gideon Richter antwortete mit einer übertriebenen Verbeugung. Nora schnappte die Tasche mit den Unterlagen, schloss das Auto ab und die beiden machten sich auf den
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