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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Weg. Ihr Kollege hatte ihre Ausweichtaktik offenbar richtig interpretiert und verkniff sich weitere Fragen oder Kommentare.
    Als sie nach der Fahrt mit der U-Bahn zu Hause war, rief sie bei Agniezkas Pflegeeltern an, um sich nach dem Zustand des kleinen Mädchens zu erkundigen. Die Pfarrersfrau stellte neugierige Fragen.
    Nein, sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie die Vormundschaft übernehmen wolle. Ja, sie werde sich melden.
    Während sie zu Abend aß, studierte sie die Unterlagen, die sie aus dem Büro mitgenommen hatte. Dann ging sie zum Fenster und warf einen Blick auf die Straße. Unten lief ein Mann mit einer großen Umhängetasche vorbei. Sie ließ die Jalousie herunter, gähnte und legte sich mit Kanthers Buch bewaffnet ins Bett. Dann schaltete sie das Licht aus, ohne den Wecker zu stellen.
    Hoffentlich beißt Rittka an. Das war ihr letzter bewusster Gedanke, bevor sie in einen unruhigen Schlaf sank.

23. März
    Der Köder, den Raven und Nora ausgelegt hatten, trieb tagelang durch die unergründlichen Tiefen des World Wide Web. Den Kollegen gegenüber hielt Nora ihren Schachzug geheim. Erst wenn die Beute in die Falle gegangen war, würde sie mit Hartmann sprechen. Aus dem Grund musste sie unbedingt vermeiden, dass Richter ihr in die Parade fuhr.
    Sehnsüchtig wartete sie auf eine E-Mail oder einen Anruf von Raven; die Tage schienen im Zeitlupentempo zu vergehen. Nach außen hin funktionierte Nora wie gehabt. Sie nahm an Besprechungen teil und bearbeitete die ihr übertragenen Aufgaben, doch dabei sah sie ständig auf die Uhr. Außerdem trank sie so viel Kaffee, bis ihr Magen streikte.  
     
    Vier Tage, nachdem sie den Köder ausgelegt hatten, kam Ravens E-Mail:
     
Von:
[email protected]
An:
[email protected]
Betreff:
Klubmitgliedschaft …
    =======================================
    Hallo Frau Winter,
    er hat abgelehnt. Tut mir leid. Anbei seine E-Mail.
    *GG* Raven
     
    Drei kurze Sätze. Genug, um Noras Hoffnungen zunichtezumachen, sie in ein tiefes Loch zu stürzen. Eben noch höchst euphorisch, im nächsten Moment zutiefst betrübt. Sie verschob die E-Mail in einen Ordner mit dem Titel Drachentöter und ließ den Blick durch ihr Büro schweifen.
    Neuerdings schienen ihre Antennen etwas feinfühliger zu sein, denn in diesem Augenblick tiefster Enttäuschung registrierte sie, wie wenig von ihrer Persönlichkeit in diesem Raum steckte. Die Kunstdrucke an der Wand wirkten blasser, die Besucherstühle abgestoßener und das Regal mit den Ordnern noch trostloser als sonst. In einer Ecke fristete ein Umzugskarton mit persönlichen Dingen sein Gnadenbrot, halb geöffnet wie eine vergessene Schatzkiste. Darin befanden sich gerahmte Kopien ihrer Abschluss- und Diplomurkunde, ein uraltes Schwarz-Weiß-Foto ihrer Eltern und ein wenig Nippes, um das Büro zu dekorieren. Vorgestern hatte sich ein weiteres Stück hinzugesellt. Agniezka hatte mit Wasserfarben ein Bild gemalt und ihr geschenkt: ein Haus, Blumen, eine lachende Sonne, eine Schaukel. FUR NORA hatte sie in ungelenken Großbuchstaben daruntergeschrieben, mit einem roten Herz versehen.
    Nora war seit Antritt ihres Dienstes in der Mordkommission nie dazu gekommen, den Karton auszuräumen und diesem Raum eine persönliche Note zu verleihen. Das redete sie sich jedenfalls ein.
    Sollte ich jemals beschließen, meinen Job an den Nagel zu hängen, muss ich die Sachen nicht mal wieder einräumen. Ich trage den Karton einfach ins Auto und bringe ihn an einen neuen Ort, wo er dann das gleiche Schicksal erleidet.
    Sie betrachtete Agniezkas Bild und suhlte sich in Selbstmitleid. Dann legte sie das Blatt an seinen Platz zurück, setzte sich wieder an den Schreibtisch und holte noch einmal Ravens Nachricht auf den Bildschirm. Sie öffnete die angehängte E-Mail von rittka66 . Überflog den Text, eine höflich formulierte Absage. Ihr fiel die gewählte Ausdrucksweise des Mannes auf. Sie passte nicht zu der eiskalten Brutalität, mit der er die Prostituierten umbrachte, aber sie passte ausgezeichnet zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Denn wenn man Kanthers Aussage Glauben schenken wollte, war Rittka derjenige gewesen, der das Manuskript mit dem Titel Drachenstich verfasst hatte.
    Diesen Aspekt des Falles hatten Hartmann, Richter und sie in den bisherigen Ermittlungen völlig vernachlässigt. Nora wusste nicht einmal genau warum. Vielleicht weil die Festplatte in Kanthers Computer zerstört war und sie keinen Zugriff auf

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