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Tödliche Geschäfte

Tödliche Geschäfte

Titel: Tödliche Geschäfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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immer.
    Er erreichte den Monument Square mit seinem riesigen phallischen Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht von Bunker Hill und lenkte seine Schritte zum Haus seiner Kindheit. Als Klempner hatte sein Vater, Brian Murphy senior, ein recht ordentliches Vermögen erwirtschaftet und lange bevor es schick wurde, in der City zu leben, ein großes viktorianisches Stadthaus gekauft. Zunächst hatten die Murphys in der Maisonette-Wohnung im Erdgeschoß gewohnt, aber als sein Vater im Alter von sechsundvierzig Jahren an Leberkrebs starb, brauchten sie dringend Geld und vermieteten die große Wohnung. Als Seans älterer Bruder, der ebenfalls Brian hieß, fortging, um zu studieren, zogen Sean, sein jüngerer Bruder Charles und seine Mutter Anne in eine der eingeschossigen Wohnungen, in der Anne heute alleine lebte.
    Vor der Haustür bemerkte Sean, daß hinter seinem Isuzu-Allrad ein Mercedes parkte, der ihm bekannt vorkam. Sein älterer Bruder Brian war zu einem seiner Überraschungsbesuche vorbeigekommen. Sean ahnte, daß er sich wegen seiner geplanten Reise nach Miami wieder alle möglichen Vorwürfe würde anhören müssen.
    Er nahm zwei Stufen auf einmal, stürmte die Treppe hinauf und öffnete die Wohnungstür. Auf einem Sessel stand Brians schwarzer Lederaktenkoffer, und es duftete nach Schmorbraten.
    »Bist du das, Sean?« rief seine Mutter aus der Küche. Sie tauchte im Türrahmen auf, als Sean gerade seine Jacke aufhängte. In ihrem schlichten Hauskleid und der abgetragenen Schürze sah sie deutlich älter aus als vierundfünfzig. Nach der langen, qualvollen Ehe mit Brian Murphy, einem exzessiven Trinker, war ihr Gesicht dauerhaft verhärmt, ihre Augen müde und stumpf. Ihr von Natur aus lockiges Haar, das sie zu einem altmodischen Dutt aufsteckte, war einst von einem attraktiven Dunkelbraun gewesen, mittlerweile jedoch von grauen Strähnen durchzogen.
    »Brian ist hier«, sagte sie.
    »Hab ich mir schon gedacht.«
    Sean ging in die Küche, um seinen Bruder zu begrüßen. Brian saß am Küchentisch. Vor ihm stand ein Drink. Er hatte seine Jacke abgelegt und über einen Stuhl gehängt; über seinem Hemd trug er türkisch gemusterte Hosenträger. Wie Sean hatte er dunkle, attraktive Züge, schwarzes Haar und strahlend blaue Augen. Doch damit waren ihre Gemeinsamkeiten erschöpft. Während sich Sean vorlaut und lässig gab, war Brian umsichtig und exakt. Im Gegensatz zu Seans verwegenen Locken war sein Haar kurz geschnitten und ordentlich gescheitelt. Dazu trug er einen sorgfältig gepflegten Schnurrbart. Seine Kleidung war entschieden anwaltsgemäß, er bevorzugte blaue Nadelstreifen.
    »Haben wir diese Ehre mir zu verdanken?« fragte Sean. Brian kam nicht oft zu Besuch, obwohl er ganz in der Nähe, in Back Ray, wohnte.
    »Mutter hat mich angerufen«, gab Brian zu.
    Sean brauchte nicht lange, um zu duschen, sich zu rasieren und Jeans und ein Rugbyhemd überzustreifen. Er war wieder in der Küche, bevor Brian mit dem Tranchieren des Schmorbratens fertig war. Sean half beim Tischdecken und beobachtete dabei seinen älteren Bruder. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er ihn nicht hatte leiden können. Jahrelang hatte seine Mutter ihre Söhne als »meinen wundervollen Brian«, »meinen lieben Charles« und »Sean« vorgestellt. Charles lebte zur Zeit in einem Priesterseminar in New Jersey und studierte dort Theologie.
    Wie Sean war auch Brian seit seinen Kindertagen ein Sportler, wenngleich weniger erfolgreich. Er war ein fleißiges Kind und ein Stubenhocker und hatte die Universität von Massachusetts und die juristische Fakultät der Boston University besucht. Brian war stets allgemein beliebt gewesen. Jeder hatte schon immer gewußt, daß er Erfolg haben und dem irischen Fluch von Alkohol, Schuld, Depression und Tragödie entfliehen würde. Sean hingegen war der Wildfang, der sich lieber mit den Rabauken aus der Nachbarschaft herumtrieb und wegen Schlägereien, kleinerer Einbrüche und Spritztouren in gestohlenen Autos häufig Ärger mit den Behörden hatte. Wäre er nicht so überdurchschnittlich intelligent und überdies begabt im Umgang mit einem Hockey-Schläger gewesen, dann hätte er ebensogut im Bridgewater-Gefängnis wie in Harvard landen können. In den Ghettos der Stadt war die Grenze zwischen Erfolg und Scheitern ein dünnes Seil, auf dem die Kinder all die turbulenten Jahre ihrer Jugend hindurch schwankten.
    Bei den letzten Essensvorbereitungen wurde wenig gesprochen. Aber nachdem sie Platz genommen hatten,

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