Tödliche Geschäfte
Tages, und er wußte, daß seine Vorgesetzten normalerweise nach dem Mittagessen von ihren Direktoren über alles, was Hiroshi übermittelte, informiert wurden.
Wie auf ein Stichwort leuchtete in LCD-Schrift die Empfangsanzeige des Faxgeräts auf. Begierig riß Hiroshi das Blatt heraus, sobald es durchgelaufen war. Leicht beklommen lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und las die Direktive.
Der erste Teil war wie erwartet. Die Geschäftsleitung von Sushita war irritiert über die unerwartete Ankunft des Harvard-Studenten. Ihrer Ansicht nach verstieß das gegen den Geist der Vereinbarung mit dem Forbes-Zentrum. Weiter betonte die Direktive die feste Überzeugung der Firma, daß die erfolgreiche Diagnose und Behandlung von Krebs die größte biotechnisch-pharmazeutische Errungenschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts sein werde. Ihrer Ansicht nach würde es die Goldgrube des zwanzigsten Jahrhunderts, die Antibiotika, noch übertreffen.
Es war der zweite Teil der Nachricht, der bei Hiroshi Panik auslöste. Dort hieß es, daß das Management kein Risiko eingehen wolle und daß Hiroshi Tanaka Yagamuchi anrufen solle, um ihn mit Ermittlungen über Sean Murphy zu beauftragen. Anschließend sollte er nach Lage der Dinge handeln. Wenn Sean Murphy eine Bedrohung darstellte, hatte er dafür zu sorgen, daß er umgehend nach Tokio gebracht wurde.
Hiroshi faltete die Faxseite mehrmals der Länge nach und verbrannte sie über dem Waschbecken. Danach spülte er die Aschenreste in den Ausguß. Dabei fiel ihm auf, daß seine Hände zitterten.
Hiroshi hatte gehofft, daß ihn die Direktive aus Tokio beruhigen würde. Doch jetzt war er noch aufgeregter als vorher. Die Tatsache, daß Hiroshis Vorgesetzte den Eindruck hatten, daß er die Lage nicht im Griff hatte, war kein gutes Zeichen. Sie hatten es nicht ausdrücklich gesagt, aber die Anweisung, Tanaka anzurufen, war deutlich genug. Sie implizierte, daß man sich in Fragen von entscheidender Bedeutung nicht auf Hiroshi verlassen konnte, und wenn man sich nicht auf ihn verlassen konnte, war sein Aufstieg in der Hierarchie von Sushita automatisch in Frage gestellt. Er hatte, anders konnte er es nicht deuten, sein Gesicht verloren.
Trotz seiner wachsenden Nervosität war sein Gehorsam unbeirrbar, und er holte die Listen mit den Telefonnummern für Notfälle hervor, die man ihm vor seinem Dienstantritt im Forbes-Zentrum vor mehr als einem Jahr mitgegeben hatte. Er fand Tanakas Nummer und wählte. Während das Klingelzeichen ertönte, spürte Hiroshi Wut und Abneigung gegen diesen Medizinstudenten aus Harvard in sich aufwallen. Wenn der junge angehende Arzt nie an die Forbes-Klinik gekommen wäre, wäre auch seinem Ansehen in den Augen seiner Vorgesetzten nicht derart geschadet worden.
Nach einem Piepston folgte eine knappe japanische Ansage, die den Anrufer aufforderte, Namen und Rufnummer zu hinterlassen. Hiroshi tat, wie ihm geheißen, und fügte noch hinzu, daß er auf den Rückruf warten würde. Er legte auf und dachte über Tanaka nach. Er wußte nicht viel über den Mann, doch was er wußte, war beunruhigend genug. Tanaka wurde von diversen japanischen Firmen häufig für Industriespionage jeder Art eingesetzt. Was Hiroshi jedoch weitaus mehr irritierte, war Tanakas angebliche Verbindung mit der Yakuza, der brutalen japanischen Mafia.
Als wenige Minuten später das Telefon klingelte, hallte es in der Stille des verlassenen Labors unnatürlich laut und schrill nach. Hiroshi fuhr zusammen und griff nach dem Hörer, noch bevor das erste Läuten verklungen war.
»Moshimoshi«, sagte er viel zu hastig und hörbar nervös.
Die Stimme am anderen Ende war scharf und schneidend wie ein Stilett. Es war Tanaka.
4
Mittwoch, 3. März, 8.30 Uhr
Als Sean morgens um halb neun die Augen aufschlug, war er sofort hellwach. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und ärgerte sich über sich selbst. Er hatte vorgehabt, an diesem Tag früh ins Labor zu gehen. Wenn er Janets Plan eine Chance geben wollte, mußte er sich mehr anstrengen.
Nachdem er einigermaßen züchtige Kleidung in Form einer Boxershorts angelegt hatte, tapste er den Balkon entlang und klopfte sanft an Janets Schiebetür. Nachdem er ein zweites Mal fester geklopft hatte, tauchte hinter der Scheibe ihr verschlafenes Gesicht auf.
»Hast du mich vermißt?« fragte Sean grinsend, als sie die Schiebetür öffnete.
»Wie spät ist es?« fragte Janet und blinzelte ins helle Licht.
»Es geht auf neun«, sagte
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