Tödliche Geschäfte
bahnte, hoffte er, daß er ihr das, was sie davon abhielt, in seinem Apartment zu übernachten, ausreden konnte, was immer es sein mochte.
Mit einem kaum hörbaren Hallo nahm sie ihm gegenüber Platz. Unter ihrem Arm klemmte eine zusammengefaltete Lokalzeitung. An ihrem Blick, den sie immer wieder wie ein ängstlicher, verletzlicher, kleiner Vogel durch den Raum wandern ließ, erkannte er, wie nervös sie war.
»Janet, wir sind doch nicht in einem Spionagethriller«, sagte Sean. »Nun beruhige dich doch.«
»Genau so komme ich mir aber vor«, erwiderte sie. »Ich bin den ganzen Tag hinter dem Rücken von anderen Leuten rumgeschlichen, immer ängstlich darauf bedacht, keinen Verdacht zu erregen. Trotzdem habe ich das Gefühl, daß jeder weiß, was ich mache.«
Sean verdrehte die Augen. »Meine Komplizin ist eine hoffnungslose Amateurin«, meinte er spöttisch, um dann ernster hinzuzufügen: »Ich weiß nicht, wie das je klappen soll, wenn du schon jetzt ein einziges Nervenbündel bist, Janet. Dies ist erst der Anfang. Im Vergleich zu dem, was noch kommt, hast du praktisch noch gar nichts getan. Aber wahrscheinlich bin ich in Wirklichkeit nur neidisch. Du kannst zumindest etwas tun, während ich den Großteil des Vormittags unter der Erde verbracht habe, um etlichen Mäusen das Forbes-Protein plus Freunds Adjuvans zu spritzen. Es gab keine Intrigen und erst recht keine Aufregung. Der Laden hier macht mich völlig verrückt.«
»Was ist mit den Kristallen?« fragte Janet.
»Damit lasse ich mir absichtlich Zeit«, erwiderte Sean. »Ich war einfach zu schnell. Ich werde denen nicht erzählen, wie weit ich schon bin. Dann kann ich mir, wenn nötig, für unsere Nachforschungen zusätzliche Zeit nehmen und trotzdem bei Bedarf Ergebnisse vorweisen. Und wie ist es dir ergangen?«
»Nicht so toll«, mußte Janet zugeben. »Aber ich habe einen Anfang gemacht. Ich habe ein Krankenblatt kopiert.«
»Nur eins?« fragte Sean, sichtlich enttäuscht. »Wegen eines Krankenblatts veranstaltest du so ein Theater?«
»Nun mach du mich deswegen nicht auch noch an«, warnte Janet ihn. »Das alles ist wirklich nicht leicht für mich.«
»Das habe ich auch nie behauptet«, fuhr Sean sie an. »Nie. Ich nicht. Das ist nicht meine Art.«
»Ach, halt doch den Mund«, sagte Janet und schob ihm unter dem Tisch die Zeitung herüber. »Ich tu ja mein Bestes.«
Sean nahm die Zeitung, legte sie auf den Tisch, breitete sie aus und entnahm die fotokopierten Seiten. Dann schob er die Zeitung beiseite.
»Sean!« keuchte Janet, während sie sich verstohlen im Raum umsah. »Geht das vielleicht ein bißchen subtiler?«
»Ich hab keinen Bock mehr, subtil zu sein«, sagte er und begann, die Blätter der Krankenakte durchzugehen.
»Nicht mal für mich?« fragte Janet. »Vielleicht sind Leute von meiner Station hier. Sie könnten gesehen haben, wie ich dir diese Kopien gegeben habe.«
»Du traust ihnen zuviel zu«, sagte Sean abgelenkt. »Die Menschen sind lange nicht so aufmerksam, wie du denkst.« Dann fügte er hinzu: »Louis Martins Krankenblatt besteht nur aus Untersuchungsergebnissen aus dem Boston Memorial. Die Krankengeschichte und die körperliche Untersuchung habe ich selbst gemacht. Der faule Sack aus der Neurologie hat meinen Bericht einfach nur abgeschrieben.«
»Woher willst du das wissen?« fragte Janet.
»Die Formulierungen«, sagte Sean. »Hör dir das an: Der Patient ›durchlitt‹ vor drei Monaten eine Operation zur Entfernung der Prostata. Ich verwende in meinen Berichten gerne Formulierungen wie ›durchlitt‹, um zu überprüfen, wer sie liest und wer nicht. Es ist eine Art Spiel, das ich mit mir selbst spiele. Ich bin der einzige, der solche Redewendungen in medizinischen Berichten verwendet. Eigentlich soll man nur Fakten angeben, keine Beurteilungen schreiben.«
»Imitiert zu werden ist das größte Kompliment, also solltest du dich wohl geehrt fühlen«, sagte Janet.
»Das einzig Interessante sind die Medikationsanweisungen«, sagte Sean. »Er hat zwei codierte Medikamente erhalten: MB300M und MB303M.«
»Das entspricht dem Code, den ich in Helen Cabots Computerdatei gesehen habe«, sagte Janet und gab ihm den Zettel, auf dem sie die Therapieinformationen aus dem Computer notiert hatte.
Sean warf einen Blick auf Dosierung und Applikationsintervall.
»Was glaubst du, was das ist?« fragte Janet.
»Keine Ahnung«, antwortete Sean. »Hast du eine Probe bekommen?«
»Noch nicht«, gab Janet zu. »Aber ich weiß
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