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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ich nicht. Wo denn?«
    »Auf der anderen Straßenseite, etwa drei Autos weiter hinten. Zumindest standen sie vor einiger Zeit noch dort.«
    »Dann schaue ich mal lieber, wie es ihr geht.« Crystal fasste um ihren Sitz herum und zog einen großen schwarzen Schirm heraus, der auf dem Boden gelegen hatte. Sie machte die Wagentür einen Spalt weit auf, steckte den Schirm hinaus und drückte auf die automatische Entriegelung, wodurch er sich schlagartig zu voller Größe aufspannte.
    »Danke für den Schokoriegel. Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Gern geschehen.«
    Der Abschleppwagen erschien und tauchte mit seinen Scheinwerfern die Straße bis zur nächsten Kurve in Licht. Ich öffnete die Tür auf meiner Seite, hängte mir den Regenmantel über den Kopf und stieg aus. Ich schlug die Tür zu, drehte mich um und sah zu, wie der Beifahrer aus dem Abschleppwagen sprang. Crystal marschierte an ihm vorbei, als er die Straße wieder ein Stück hinaufging, während der Fahrer sein Gefährt wendete und begann, den Hügel hochzufahren. Die schweren Reifen kamen ins Rutschen und mahlten zwei Rinnen ins Gras. Der Fahrer warf einen Blick nach hinten, eine Hand am Lenkrad. Sein Kollege pfiff scharf und gab ihm mit wedelnden Armen zu verstehen, wie steil der Anstiegswinkel war. Die blonde Reporterin entdeckte Crystal und machte Anstalten, sich ihr in den Weg zu stellen. Crystal schüttelte den Kopf und winkte ab.
    Ich ging zurück zu meinem Auto und drehte den Schlüssel in der Zündung. Der Regen war mittlerweile in ein eisiges Nieseln übergegangen, das die Schaulustigen ganz allmählich durchnässte. Die Innentemperatur war gefallen, seit ich gegangen war, und das lauwarme Lüftchen, das die Heizung zu Stande brachte, nutzte weniger als mein Atem. Ich sah zu, wie der Abschleppwagen seitlich abrutschte und dann schwerfällig rückwärts den Hügel hinauffuhr. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie es schaffen wollten, den Mercedes aus dem Wasser und die durchweichte Anhöhe hinaufzuziehen.
    Ich wandte mich um und blickte über den Rücksitz nach draußen, um zu sehen, was Crystal machte. Sie war bei Leila angelangt, die mit Lloyd am Straßenrand stand. Lloyd hatte einen Arm um sie gelegt, doch sowie Leila Crystal sah, flüchtete sie sich in die Umarmung ihrer Mutter. Crystal hielt sie fest und wiegte sie, während sie das Gesicht in Leilas Haaren barg. Kurz darauf begannen die drei, sich zu beratschlagen. Leila sah todunglücklich drein, Lloyd abwesend. Worum es auch ging, es stand fest, dass Crystal die Oberhand behielt. Mutter und Tochter kamen auf dem Rückweg zu ihrem Kombi an meinem VW vorbei. Crystal redete ernst auf Leila ein, die lautlos weinte. Ich sah ihr zu, wie sie ihre Tochter auf den Beifahrersitz bugsierte und dann ums Heck des Wagens herumging und sich hinters Steuer setzte.
    Ich verstellte erneut den Rückspiegel und behielt Lloyd im Auge, der mit gebeugtem Kopf und in den Taschen vergrabenen Händen unterwegs zu seinem eigenen Auto war. Vielleicht standen die beiden in Konkurrenz zueinander und jeder spielte den guten Elternteil. Leila war der Preis, und Lloyd hatte sich gezwungen gesehen, diese Runde verloren zu geben. Spiegelverkehrt sah ich, wie er sich eine Zigarette ansteckte, und kurz darauf konnte ich riechen, wie der Rauch durch die feuchte Nachtluft zog. Beiläufig fragte ich mich, wie weit ich in die Dunkelheit stapfen müsste, um pinkeln zu können, ohne wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet zu werden.
    Detective Odessa tauchte in seiner Wasser abweisenden Kapuzenjacke auf dem Kamm des Hügels auf und trat den Abstieg an, seine Schritte ebenso zaghaft, wie es meine gewesen waren. Er entdeckte den VW und begann in meine Richtung zu stapfen. Ich beugte mich hinüber und kurbelte das Fenster ein paar Zentimeter herunter. Als er am Wagen anlangte, bückte er sich und spähte herein. Regentropfen hatten sich auf der glänzenden Oberfläche seiner Jacke angesammelt, und das Wasser lief in Rinnsalen an den Nähten entlang. Seine Nase war ein wenig zu lang, und irgendetwas an ihrer Form verhinderte, dass er richtig gut aussah. Er wies auf die Arbeitsbeleuchtung auf der anderen Seite des Hügels. »Ich möchte Sie mit Detective Paglia bekannt machen. Er hat die Leitung bei diesem Fall.«
    »Gern«, sagte ich. Ich drehte das Fenster hoch und stellte den Motor ab. Dann stieg ich aus und schlüpfte schnell in meinen Regenmantel, bevor ich ihm den Hügel hinauf folgte. Wir kämpften uns

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