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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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spähte durch die schmalen Glasfenster an den Seiten, die mir einen verkürzten Blick in die Diele gestatteten. Ich sah eine Gestalt in der Küche umhergehen, vermutlich bei der Zubereitung des Abendessens. Die Frau trat in den Flur und kam auf die Haustür zu. Ich winkte und versuchte wie eine gesetzestreue Bürgerin zu wirken und nicht wie eine abgebrühte, hinterhältige Wahnsinnige voller Mordlust. Sie war mittleren Alters, trug Pullover und Hosen und hatte eine Schürze um die Taille gebunden. Falls mein plötzliches Auftauchen sie beunruhigte, so ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Sie schaltete das Licht auf der Veranda an und musterte mich bedächtig.
    Ich sprach laut und hoffte, dass sie mich durch das Glas hören konnte. »Ich bin eine Bekannte von Fiona. Sie ist nicht da, und ich muss dringend bei Ihnen telefonieren.«
    Ich sah, wie ihr Blick zu Fionas Haus wanderte, während sie die Bitte verarbeitete. Sie vergewisserte sich, dass die Sicherungskette vorgelegt war, und öffnete die Tür einen Spalt weit. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihr die Lage erklärte, aber ich muss überzeugend geklungen haben, da sie mich ohne Widerrede einließ und zum Telefon führte.
    Wenige Minuten später kam der erste schwarz-weiße Streifenwagen die Straße hochgerast.
    Inzwischen waren zwei Stunden vergangen, und die Nachbarn aus vielen der umliegenden Häuser hatten sich auf der Straße verteilt. Sie standen in Grüppchen unter dem mageren Schutz ihrer Regenschirme und unterhielten sich in gedämpften und abgehackten Wortschwallen, während der Regen weiter herunterprasselte. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass der Wagen des Doktors gefunden worden war. Unter gewöhnlichen Umständen bekamen sie vermutlich nur selten Gelegenheit, sich zu treffen. Keines der Häuser hier oben stand dicht beim nächsten, und da viele der Bewohner tagsüber bei der Arbeit waren, nahm ich an, dass sich ihre Wege kaum je kreuzten. Sie bildeten ein buntes Häuflein und sahen aus, als hätten sie in Eile ihre Mäntel und Gummistiefel angezogen. Geduldig wartend standen sie da, ihre Nachtwache wie ein Ritual, eine Gemeinschaft der Betroffenen, die sich auf dieser beispiellosen Versammlung berieten. Ein provisorischer Zaun aus Plastikkegeln und Polizeiband hinderte sie am Näherkommen. Nicht, dass von ihrem Standort aus viel zu sehen gewesen wäre. Die Straße ging in Richtung Stadt und lag selbst im Dunkeln, da keine Straßenlampen in der Nähe waren. In der entgegengesetzten Richtung hörte der Asphalt nach und nach auf. Hinter der letzten Sackgasse sah man nur noch schwarze, dräuende Hügel, unbebautes Land, zusammengehalten von Salbei und Gestrüpp.
    Ich saß im Auto und war vor Kälte ganz verspannt. Immer wieder ließ ich den Motor an, damit ich Heizung und Scheibenwischer laufen lassen konnte, obwohl mich das monotone Schrapp-Schrapp-Schrapp-Schrapp fast einschlafen ließ. Zu meiner Rechten stieg der Hügel im Dreißig-Grad-Winkel etwa hundert Meter weit an, bevor er einen Kamm bildete und auf der anderen Seite zum See absank. Vom Ufer her glänzten gespenstisch die Scheinwerfer und ließen die wenigen verkrüppelten Bäume, die sich über den Kamm zogen, wie Silhouetten erscheinen. Immer wieder wurde das Licht von Schatten durchbrochen, die die Polizisten bei ihrer Arbeit warfen. Ich hatte kurz mit Odessa gesprochen, als er am See angekommen war. Er hatte mich zum Bleiben aufgefordert und gemeint, sie würden einen Taucher ins Wasser schicken, der das Innere des Wagens untersuchen sollte, bevor sie ihn aus dem See zögen. Er war den langen Abhang hinauf verschwunden, und ich hatte mich ins Warten gefügt.
    Irgendwann war Leila erschienen, begleitet von ihrem Stiefvater Lloyd, der nach Hause gekommen war, während ich gerade Dows Wagen ausfindig gemacht hatte. Sie standen auf der einen Seite unter einem schwarzen Schirm und hielten Abstand zu den Nachbarn. Ich vermutete, dass die beiden von den Lichtern angelockt worden und in Lloyds Auto gestiegen waren. Ausnahmsweise schien Leila einmal etwas anderes zu empfinden als Langeweile oder Verachtung. Mit ihrer dicken schwarzen Wimperntusche und dem vielen Lidschatten sah sie aus wie ein verlassenes Kind, großäugig und ernst. Sie erschauerte unwillkürlich. Ich wusste, dass ich eigentlich hinübergehen und mich Lloyd hätte vorstellen sollen, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen. Ein Stück weit die Straße hinunter entdeckte ich zwei Übertragungsteams, das eine von

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