Tödliche Gier
Horton Ravine. Die Moderatorin fuhr mit einer Geschichte über eine Katze fort, die in einem Rohr stecken geblieben war. Neuneinhalb quälende Wochen waren auf weniger als eine Minute reduziert worden. Vermutlich brächten die Zuschauer mehr Mitgefühl für die Katze auf.
Es klopfte an der Tür. Ich nahm an, es wäre Henry, der sich entschuldigen wollte. Doch stattdessen stand Tommy Hevener vor mir auf der Veranda. »Hey. Wo sind Sie denn gewesen? Ich habe vor ein paar Stunden bei Ihnen angerufen, aber da war nur der Anrufbeantworter. Ich dachte, wir würden uns bei Rosie’s sehen.«
»Henry hat mir erzählt, dass er Sie getroffen hat.«
»Ja, wir haben uns nett unterhalten. Er ist ein prima alter Knabe.«
»Hören Sie. Ich habe einen harten Tag hinter mir. In einem Fall, den ich bearbeite, hat sich etwas Neues ergeben.«
»Möchten Sie darüber reden? Ich bin ein guter Zuhörer.«
»Ich glaube nicht. Danke für das Angebot, aber ich bin völlig erledigt und möchte jetzt lieber ins Bett.«
»Verstanden. Kein Problem. Rufen Sie mich morgen an. Ich will Sie wiedersehen.«
»Okay, mach ich.«
»Passen Sie auf sich auf.«
»Ja, Sie auch«, sagte ich. Sowie ich die Tür geschlossen hatte, begann mir das Herz hektisch bis zum Hals zu schlagen. Ich schob den Riegel vor und lehnte mich gegen die Wand, um abzuwarten, bis ich ihn davongehen hörte. Draußen wurde ein Auto angelassen, und ich lauschte, während das Motorengeräusch die Straße hinab verklang.
Ich weiß nicht, wie ich in dieser Nacht Schlaf fand. Ich hatte keine emotionale Beziehung zu Dow Purcell gehabt, doch der Anblick dieses Toten auf dem Vordersitz des Autos hatte mich erschüttert. Ich war schon oft mit dem Tod in Kontakt gekommen, aber irgendwie bekam ich das Bild dieses vierrädrigen silbernen Sargs mit seinem gräulichen Inhalt nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder ließ ich den Augenblick Revue passieren — die zischenden Scheinwerfer im Regen, das Geräusch des Wassers, das von der Unterseite des Wagens troff, der Geruch von Lehm und zertretenem Gras, gefolgt von der Momentaufnahme der Leiche in ihrer formlosen Ruhestellung, die Augen zum Fenster gewandt, der Mund vor Erstaunen aufgerissen. Ich glaubte nicht, dass es lange dauern würde, den Toten zu identifizieren, höchstens einen halben Tag. Mehr Zeit würde es in Anspruch nehmen, den Wagen zu untersuchen und eine Theorie darüber zu entwickeln, wie er in den See gekommen war. Außerdem stellte sich die Frage, ob Purcell schon tot oder noch am Leben gewesen war, als er ins Wasser fuhr. Erneut sah ich sein Gesicht vor mir, das O des Mundes, die blicklosen Augen...
Ich rang bewusst darum, auf andere Gedanken zu kommen, und konzentrierte mich auf das Problem mit Tommy und Richard Hevener. Trotz meiner sturen und streitlustigen Haltung hatte ich Henrys Einwände durchaus eingesehen und gewusst, dass sie richtig waren. Ich stecke andauernd die Nase in Dinge, die mich nichts angehen, oft mit Konsequenzen, die gravierender (und potenziell tödlicher) sind, als ich einzugestehen bereit bin. Ich war in keiner Weise dazu verpflichtet, Mariah Talbot oder der Guardian Casualty Insurance zu helfen — also warum begab ich mich in die Schusslinie? Die »Jungs« waren nicht mein Problem. Mariah hatte ja sogar angedeutet, dass sie noch einen zweiten Plan hatte, falls ich ihr nicht helfen wollte. Auf jeden Fall musste ich einen Weg finden, den Mietvertrag aufzulösen und mein Geld wiederzubekommen, aber vielleicht konnte ja Lonnie den Brüdern einen so bissigen Brief schreiben, dass sie darum betteln würden, mich loszuwerden. Was den Mord an ihren Eltern anging, so musste ich eben daran glauben, dass das Gesetz sie über kurz oder lang einholen würde. Sosehr es mich auch betrübte, die Rache wäre nicht mein. Ach, verdammt.
17
Den größten Teil des Mittwochs verbrachte ich damit, allen möglichen Kleinkram zu erledigen. Morgens um sechs schaffte ich es, zwischen zwei Wolkenbrüchen einen Fünf-Kilometer-Lauf zu absolvieren und anschließend ins Fitnessstudio zu gehen. Danach war ich nach Hause zurückgekehrt, hatte sauber gemacht und gefrühstückt und war gegen Viertel nach neun im Büro eingetroffen. Den größten Teil des Tages beschäftigte ich mich damit, liegen gebliebene Post aufzuarbeiten, darunter mehrere Rechnungen, die ich mit dem gewohnten Triumphgefühl bezahlte. Es ist mir ein Genuss, meine Gläubiger zufrieden zu stellen.
Zweimal setzte ich mich an die Schreibmaschine, um meinen
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