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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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eindeutig nicht der Hellste, da er die Sachen in einem Ort gekauft hatte, der nur fünfundzwanzig Kilometer entfernt lag. Bei seinem bewegten Vorstrafenregister und seinem fragwürdigen IQ war es nicht schwer, darauf zu kommen, dass er mit jemand anders im Bunde stand. Es lag auf der Hand, dass er nicht klug genug war, um den Anschlag allein geplant und ausgeführt zu haben. Im Laufe der nächsten sechs Monate veränderte sich der Ton der Berichterstattung, während die allgemeine Skepsis zunahm und die laufenden Ermittlungen sich der Möglichkeit zuwandten, dass die beiden Söhne mit der Sache zu tun hatten. Von den beiden kamen nun empörte Dementis und lautstarke Bekundungen ihrer Unschuld. Polizei und Branddirektor reagierten mit einer Reihe sorgfältig formulierter Erklärungen darauf, da sie unbedingt eine Klage vermeiden wollten, falls sich ihre Verdächtigungen als haltlos erweisen sollten. Die Geschichte blieb wochenlang aktuell und lief dann langsam aus. Mit schöner Regelmäßigkeit wurde über den neuesten Stand der Ermittlungen berichtet, doch der größte Teil der späteren Artikel war kaum mehr als ein endloses Wiederkäuen der ersten Meldungen. Casey Stonehart gab über die gelegentliche Frage nach seinem Aufenthaltsort hinaus nur sehr wenig Stoff für Zeitungskolumnen her.
    Indem ich zwischen den Zeilen las, erkannte ich, wie sich die bürokratischen Spannungen nach und nach häuften. Der Sheriff wurde der Pfuscherei bezichtigt. Man übte entsprechenden Druck aus, bis er sich zum Rücktritt gezwungen sah. Obwohl eine zweite, noch gründlichere Untersuchung eingeleitet wurde, kamen keine neuen Beweise ans Licht. Gegen Casey Stonehart wurde in Abwesenheit förmlich Anklage erhoben, aber Richard und Tommy Hevener schafften es, einer offiziellen Beschuldigung zu entgehen. In zwei kurzen Zeitungsausschnitten wurde ein Jahr später von der Klage berichtet, die sie gegen die Guardian Casualty eingereicht hatten, da sie verschiedene Versicherungsleistungen beanspruchten. Weitere sechs Monate später wurde kurz berichtet, dass die Testamente für gültig erklärt und der Nachlass abschließend geregelt worden sei. Eine deprimierende Kette von Ereignissen. Ich blätterte die Artikel erneut durch, um mich zu vergewissern, dass ich nichts übersehen hatte.
    Die Geschichte machte mich nervös. Ich merkte, wie der maskierte Rächer in mir sich rüstete, bereit, auszuziehen, um für Gerechtigkeit zu sorgen und altes Unrecht wieder gutzumachen. Überdies hatten mich Henrys Vorwürfe gefährlich dicht an meinem wunden Punkt getroffen. Ich gebe ja zu, dass ich (manchmal) waghalsig und ungestüm bin, voller Ungeduld gegenüber dem System und genervt von der Notwendigkeit, mich an Regeln zu halten. Es ist unzutreffend, dass ich nicht für Recht und Ordnung wäre, denn das bin ich. Es ärgert mich nur, dass die Bösen so viele Rechte zugestanden bekommen, während ihre Opfer so wenige haben. Verbrecher durch alle Instanzen zu verfolgen kostet nicht nur ein Vermögen, sondern bietet auch keinerlei Garantie für rechtliche Abhilfe. Und selbst wenn man von einem Erfolg ausgeht, macht eine hart erkämpfte Verurteilung die Toten nicht wieder lebendig. Doch obwohl mir praktische Überlegungen zuwider waren, hatte ich mich in diesem Fall zu Henrys Standpunkt durchgerungen. Ausnahmsweise würde ich mich einmal um meinen eigenen Kram kümmern.
    Kurz vor drei verließ ich das Büro und ging zur Bank. Zu meinem Glück war der Scheck, den ich Hevener Properties ausgestellt hatte, noch nicht eingelöst worden. Vielleicht sammelte er Mietschecks und zahlte sie in regelmäßigen Abständen auf einmal ein, statt einen nach dem anderen. Ich ließ den Scheck sperren, kehrte ins Büro zurück und schrieb Richard einen kurzen, bedauernden Brief, in dem ich erklärte, dass sich die Umstände geändert hätten und ich nun doch keine Räume von ihm mieten wollte. Angesichts meiner Unterschrift auf dem Mietvertrag konnte er mich zwar vor das Gericht für Bagatellklagen zitieren, doch ich glaubte nicht, dass er das tun würde. In seiner Lage war es ihm doch sicher lieber, juristische Verwicklungen zu vermeiden. Um halb sechs schloss ich meine Tür zu. Auf dem Nachhauseweg fuhr ich an der Hauptpost vorbei und warf den Brief in den Außenbriefkasten. Zwölf Minuten später kam ich bei meiner Wohnung an. Mir war leichter ums Herz als den ganzen ersten Teil des Tages.
    Bevor ich die Haustür aufschloss, ging ich über den Innenhof zu Henry hinüber.

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