Tödliche Gier
darunter auf. Immer noch kein Patientenname in Sicht. Ich machte mit der untersten Schublade weiter und studierte zehn weitere Akten, doch es wollte mir nicht gelingen, das ausschlaggebende Kriterium zu finden, das sie alle verband. Die Erkennungsnummern waren vollkommen durcheinander: 698727... 363427... 134627. Ich versuchte es an einer Schublade zwei Schränke weiter. Wie konnte ich hoffen, Klotildes Akte zu finden, wenn in diesen Schubladen Tausende lagern mussten? Ich suchte nach einem gemeinsamen Nenner: 500773... 509673... 604073. Peinlicherweise muss ich zugeben, dass es ziemlich lange dauerte, bis ich das Element erkannte, das jede einzelne Serie von Akten verband, aber schließlich dämmerte mir, dass sie anhand der letzten zwei Ziffern in der Nummernreihe gruppiert waren.
Ich zog den Zettel heraus, auf den ich Klotildes Medicare-Nummer notiert hatte. Er schien in keinerlei Zusammenhang zu den Nummern auf den Akten zu stehen, die offenbar jedem Patienten bei der Aufnahme zugeteilt wurden. Ich merkte, wie meine Frustration wuchs. Es ärgert mich wirklich tierisch, wenn meine illegalen Bemühungen sich auch noch als fruchtlos entpuppen. Irgendwo in diesem Raum musste es doch eine Patientenliste in alphabetischer Reihenfolge geben. Sonst konnte kein Mensch diese ganzen Akten im Griff behalten. Ich schloss die Schubladen und ging den Raum ab. Der Strahl aus meiner Taschenlampe hatte jene Besorgnis erregende gelbliche Färbung angenommen, die darauf schließen lässt, dass die Batterie gleich den Geist aufgibt.
Ich schaute aus dem Fenster. Auf dem Parkplatz schien sich nichts zu regen. Ich trat an den Lichtschalter und schaltete das verdammte Ding ein. Dann machte ich eine langsame visuelle Bestandsaufnahme, indem ich mich im Kreis drehte, um jeden Aspekt des Raumes aufzunehmen. Neben der Tür entdeckte ich ein Buch, das etwa dreißig mal fünfunddreißig Zentimeter maß, einen massiven Einband hatte und etwas enthielt, was wie Computerausdrucke in einer Dicke von acht bis zehn Zentimetern aussah. Ich ging hin und schlug es auf. Dem Himmel sei Dank. Das war das große Patientenverzeichnis, und zu meinem Segen war es alphabetisch angelegt. Ich suchte Klotildes unaussprechlichen Nachnamen, notierte mir ihre Erkennungsnummer und machte mich erneut an die Arbeit. Ich ließ das Licht an und dachte mir, zum Teufel damit. Ich begann eine neue Suche, indem ich ihre Unterlagen diesmal nach den letzten zwei Ziffern ihrer Patientennummer suchte. Binnen Minuten hatte ich sie gefunden, ihre Akte aus der Schublade genommen und sie mir vorn in die Unterhose geschoben.
Ich machte das Licht aus und kehrte in die Verwaltung zurück. Gerade wollte ich mich auf den Flur hinausschleichen, als mir folgender Gedanke kam: Wenn die Wahrheit je ans Licht kommen sollte, müssten die Leute, die wegen Betrugs ermittelten, Klotildes Akten hier im Haus finden. »Vorn in meiner Unterhose« würde vor Gericht keinen Bestand haben. Hatte ich die Dokumente erst einmal aus dieser Einrichtung entfernt, wären die Indizien manipuliert und der Beweis für Dows Schuld oder Unschuld damit irreparabel beschädigt worden.
Ach, Mist.
Ich sauste wieder zurück ins Patientenarchiv, wo ich den Ordner auf den nächstgelegenen Schreibtisch legte. Die Blätter waren in umgekehrter chronologischer Reihenfolge sortiert: die jüngsten Eintragungen zuerst, dann Seite für Seite zurück bis zum Aufnahmeformular. Ich bog die Stifte hoch und entfernte die Metallklammer. Mein Herz hämmerte vor Panik und Ungeduld. Ich hob den Deckel des Kopierers an, legte das erste Blatt ein und drückte den Knopf. Surrend begann sich das Gerät aufzuwärmen. Quälend langsam suchte sich der Lichtbalken seinen Weg über die Daten und wieder zurück. Die fertige Kopie erschien langsam auf der Ablage zu meiner Linken. Ich hob den Deckel an und tauschte das erste Blatt gegen das zweite aus. Wenigstens gab es jetzt genug Licht, um zu sehen. Viele der Anmerkungen der Ärzte waren nur knapp, und ich erkannte, wo die Betrüger sich die Lücken zu Nutze machen könnten. Abgesehen von ärztlichen Behandlungen — wer könnte schon zurückverfolgen, ob die Patientin tatsächlich Steri-Strips oder eine Flasche Babylotion erhalten hatte? Während eine Seite nach der anderen herauskam, glühte der Lichtbalken genau lang genug, dass ich die nächste Seite einlegen konnte. Was würde ich tun, wenn plötzlich jemand hereinkäme? Zusätzlich zum Kopfzerbrechen darüber musste ich jetzt noch
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