Tödliche Gier
umgekommen war, Dow Purcell war tot, und das Leben, das er hinterlassen hatte, war ein Durcheinander. Drei Fragen plagten mich. Wo war sein Pass, und wo waren die dreißigtausend Dollar geblieben? Dazu kam noch die geringfügige, aber beunruhigende Sache mit dem Postfach. Wenn Dow dafür bezahlt hatte, um es zu seinem persönlichen Gebrauch beizubehalten, warum hatte er dann Crystal gefragt, ob sie es noch gemietet hatte?
Um neun Uhr am nächsten Morgen rief ich bei Fiona an. Natürlich erreichte ich sie nicht. Ich hinterließ ihr eine Nachricht und sagte ihr, dass ich hoffte, die fehlenden dreißigtausend Dollar aufzutreiben, und ließ — vielleicht zutreffenderweise — durchblicken, dass jemand aus Crystals Haushalt für den Diebstahl verantwortlich sein könnte. Ich schlug vor, noch ein paar Stunden mehr Arbeit zu investieren, wenn sie die Ausgabe billigte. Ich hoffte, sie würde die Gelegenheit nutzen, Crystal oder jemanden, der dieser nahe stand, zu belasten. Falls nicht, würde ich der Sache vermutlich aus persönlichem Interesse nachgehen. Nicht alles in dieser Branche dreht sich um die Kohle.
Es war noch nicht ganz Mittag, als ich meinen Terminkalender abarbeitete und die Anrufe vom Vortag erwiderte. Jeniffer hatte sich krank gemeldet, was bedeutete, dass sie mit ihren Kumpanen nach Los Angeles verduftet war, um ihre Lieblingsband live zu hören. Sie hatte Jill versichert, sie habe die Post am Tag zuvor auf dem Nachhauseweg beim Postamt eingeworfen. Nicht, dass ich daran gezweifelt hätte. Ich war einfach neugierig, als ich mich auf ihren Stuhl setzte und ihren Schreibtisch durchsuchte. Ich fand etwas, das verdächtig nach den gesammelten Briefen der letzten Woche aussah, auf einem Haufen in der untersten Schublade, darunter die Schecks für meine Rechnungen, allesamt freigestempelt und bereit zum Abschicken. Postwendend verpetzte ich sie bei Ida Ruth, die einen heiligen Eid darauf schwor, es Lonnie und John zu erzählen und dafür zu sorgen, dass sie in hohem Bogen flog.
Unterdessen packte ich den Packen Briefe in eine Kiste und brachte alles selbst zum Postamt. Ich fragte mich, wie schnell Richard Hevener meinen Brief bekäme und was er tun würde, wenn ihm aufging, dass er meinen Scheck nicht einlösen konnte. Wie traurig für ihn. Er hätte ihn eben gleich an dem Tag einzahlen sollen, als ich ihn ihm gegeben hatte. Vom Postamt aus spazierte ich zum Polizeirevier, wo ich Detective Odessa zu treffen hoffte, bevor er zum Mittagessen ging. Offenbar waren er und ein zweiter Detective fünf Minuten, bevor ich eintraf, zu Fuß weggegangen. Ich fragte den Dienst habenden Beamten, ob er irgendeine Ahnung hätte, wo die beiden sein könnten. »Vermutlich im Del Mar. Da gehen sie öfter hin. Falls nicht, versuchen Sie’s am Selbstbedienungsfenster vom Arcade. Manchmal holen sie sich dort Sandwiches und essen sie am Schreibtisch.«
Ich legte eine Visitenkarte vor ihn hin. »Danke. Wenn ich ihn nicht erwische, würden Sie ihn dann bitten, dass er mich anruft?«
»Na klar.«
Ich zog den Reißverschluss meiner Windjacke hoch und trabte die Außentreppe zur Straße hinunter. Als ich den Wetterbericht in der Morgenzeitung gelesen hatte, hatte das Satellitenfoto einen dichten, weißen Strudel gezeigt, was hieß, dass eine neue Gewitterfront auf die Küste zukam. Vorhergesagt waren tief hängende Wolken und Nebel für den Vormittag sowie eine vierzigprozentige Regenwahrscheinlichkeit am Nachmittag. Die Temperaturen bewegten sich um die dreizehn Grad. Bald würden sämtliche Einheimischen gereizt und bösartig werden, deprimiert von der bitteren Kälte und dem bewölkten Himmel.
Im Del Mar war keine Spur von Odessa, und so marschierte ich den halben Block zum Arcade, einem Sandwichlokal mit einem winzigen Gastraum, der aus einem Tresen, drei Marmortischchen und ein paar Drahtgitterstühlen bestand. Das Selbstbedienungsfenster lag auf der anderen Seite des Gebäudes, wo man unter einer schwarz-weiß gestreiften Markise zwei Picknicktische und vier Holzbänke aufgestellt hatte. Detective Odessa beugte sich über ein rotes Plastiktablett mit einem gigantischen, in Papier gehüllten Hamburger und einem Berg Pommes. Der Polizist auf der anderen Seite des Tisches war Jonah Robb. Das lief ja besser, als ich mir hätte träumen lassen.
Ich hatte Jonah zum ersten Mal vor vier Jahren getroffen, als er in der Vermisstenabteilung arbeitete und ich auf der Suche nach jemandem war. Seitdem war er zur Mordkommission versetzt,
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