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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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aber sie schienen sich ihrer Sache völlig sicher zu sein. Offenbar verdächtigte man die Klinik einiger Verstöße, angefangen damit, dass wir unsere Lieferanten zu hoch bezahlten, bis dahin, dass wir falsche oder überzogene Rechnungen für erwiesene Dienstleistungen ausstellten. Dr. Purcell geriet in Panik und hat der Buchhalterin Tina Bart Vorwürfe gemacht, was absurd und unfair war. Ms. Bart hat schon vor meiner Zeit für Pacific Meadows gearbeitet und machte ihre Arbeit tadellos. Ich habe mich für sie eingesetzt. Ich wollte nicht zulassen, dass sie alles ihr in die Schuhe schieben. Sie hat ja nicht die Entscheidungen getroffen. Sie hat nicht einmal die Rechnungen beglichen; das hat Genesis getan. Sie hat Bestellungen weitergeleitet und die Rechnungen für Unterkunft und Verpflegung für jeden Bewohner erstellt, eingeschlossen allgemeine Versorgung und Therapie — alles außer Medikamente. Die liefen über Medicare, Medicaid, HMO, private Versicherungen und Zahlungen aus eigener Tasche. Dieselben Daten gingen auch über meinen Tisch. Sie hat die Papiere nicht erstellt. Sie hat nur weitergeleitet, was sie bekommen hat.«
    »Warum wird Genesis nicht für das Problem verantwortlich gemacht, wenn sie die Rechnungen bezahlen?«
    »Wir liefern ihnen die Angaben. Sie machen sich normalerweise nicht die Mühe, die Daten zu überprüfen, und Ms. Bart auch nicht.«
    »Aber sie wurde trotzdem rausgeworfen.«
    »Ja, allerdings, und ich habe am gleichen Tag meine Kündigung eingereicht. Ich war fest entschlossen, eine Beschwerde bei der Aufsichtsstelle für Arbeitsverhältnisse einzureichen.«
    »Wie hat man dort reagiert?«
    »Ich bin nie so weit gekommen. Ich habe es mir anders überlegt und beschlossen, es sein zu lassen. Tina Bart wollte kein großes Aufsehen. Ihr war genauso unwohl wie mir bei dem Gedanken, die Aufmerksamkeit auf Dr. Purcells Lage zu lenken.«
    »Seine Lage?«
    »Na ja, schon. Wir mögen ihn alle. Er ist ein liebenswerter Mensch und ein wunderbarer Arzt. Wenn er keinen Kopf für die geschäftliche Seite hatte, dann war das in unseren Augen kein sträfliches Vergehen. Das gebe ich ganz offen zu. Er kannte sich einfach nicht mit den zahlreichen Vorschriften von Medicare aus — welche Artikel man in Rechnung stellen kann und welche automatisch abgelehnt würden, Teilzahlungen, welche Beträge man abziehen durfte und welche Dienstleistungen anhand einer Gebührenordnung abgerechnet werden konnten. Ich sage Ihnen, es ist enorm kompliziert. Wenn Sie nur einen einzigen Fehler machen — wehe, Sie schreiben eine Nummer an die falsche Stelle oder lassen auch nur ein Kästchen frei — , dann kommt das Formular postwendend zurück, meistens ohne einen Hinweis darauf, wo Sie sich vertan haben.«
    »Aber Dr. Purcell hat doch nicht die Rechnungen gestellt.«
    »Natürlich nicht, aber es war seine Aufgabe, die TARs nachzuprüfen —«
    »Die TARs?«
    »Das sind die Berechtigungsanträge auf eine Behandlung. Außerdem war er verantwortlich für die Überprüfung von CPT-Nummern und die Bewilligung von Kosten für sämtliche Nebenleistungen oder DMEs. Ich muss betonen, dass er stets überaus bemüht und ausgesprochen offen für Neuerungen war, wenn es um Pflege und Wohl der Patienten ging —«
    »Sie brauchen sich nicht so anzustrengen, um den Mann in Schutz zu nehmen«, sagte ich. »Ich glaube Ihnen ja. Jedenfalls höre ich aus Ihren Worten heraus, dass er, was die praktische Geschäftsführung anging, inkompetent war.«
    »Wohl schon, auch wenn mir das Wort etwas zu stark erscheint.«
    »Bekamen Glazer und Broadus denn nicht mit, was vor sich ging?«
    »Es war ja nicht ihr Haus. Sie hatten zwar das Anwesen vom vorherigen Besitzer gekauft, umfassende Renovierungsmaßnahmen durchgeführt und den neuen Flügel finanziert und gebaut, doch alles Weitere war Aufgabe von Genesis und Dr. Purcell. Bitte verstehen Sie, dass dies nur meine Privatmeinung ist, aber ich habe im Laufe meiner Berufstätigkeit schon mit vielen Ärzten zusammengearbeitet. Je besser jemand als Arzt ist, desto schlechter kennt er sich mit geschäftlichen Angelegenheiten aus — so kommt es mir zumindest vor. Den meisten Ärzten, die ich kenne, fällt es schwer, sich das einzugestehen. Sie sind es gewöhnt, Halbgötter zu sein. Ihr Urteil wird selten in Frage gestellt. Sie sind sich der Grenzen, die ihnen gesetzt sind, nicht bewusst, und so kommen sie leicht ins Schleudern. Sie mögen sich ja in der Medizin auskennen, haben aber oft nicht ein

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