Tödliche Gier
und flach wirkt; unbebautes Land, auf dem Pampasgras und Strandkiefern wachsen, die geradezu unterentwickelt aussehen. Ein paar schmucklose Bauten aus dieser Zeit stehen noch, wie antike Raritäten unter die modernen Häuser geschmuggelt. Der Rest — Kirchen, das einstige Landgericht, die hölzernen Wohnhäuser, der Klamottenladen, die alte Mission, der Straßenbahnschuppen und zahlreiche schicke dreistöckige Hotels — war von mehreren Erdbeben und Feuersbrünsten, dem Abrissteam der Natur, eingeebnet worden.
Es war noch nicht ganz zwei Uhr, als ich in einer Seitenstraße parkte und die anderthalb Blocks zum Haupteingang des St. Terrys marschierte. Der Wind hatte aufgefrischt, und die Bäume wirkten ruhelos und bewegten sich ungelenk. Immer wieder stoben kleine Schauer von den oberen Zweigen herunter. Die Luft an sich wirkte grau, und ich war froh, als ich durch die gläsernen Schiebetüren, die sich beim Näherkommen öffneten, in die Halle der Klinik treten konnte. Zu meiner Linken lag die Cafeteria, in der einige wenige Klinikangestellte und Besucher saßen. An der Information ließ ich mir den Weg zum Büro der Pflegedienstleiterin erklären. Ich kam an einer Damentoilette vorbei und machte einen kurzen Abstecher, bevor ich meinen Weg fortsetzte.
Ich fand Penelope Delacorte in einem kleinen Einzelbüro, dessen Fenster zur Straße hinausging. Die hellen Leuchtstoffröhren an der Decke bildeten einen scharfen Kontrast zu der Düsternis draußen. Sie saß an ihrem Schreibtisch und fuhr mit einem Bleistift die Zeilen auf einer kopierten Aktennotiz nach. Als ich an den Türrahmen klopfte, beäugte sie mich über den Rand einer Halbbrille mit Schildpattgestell. Sie war Anfang fünfzig und befand sich in jener Phase, wo sie noch nicht endgültig entschieden hatte, ob sie ihr ergrauendes Haar färben sollte. Ich sah sie in einer Auseinandersetzung mit ihrem Friseur vor mir, bei der sie sich unsicher war, ob sie eine haltbare oder eine auswaschbare Tönung wählen sollte. Vermutlich stritten sie sich auch über den Schnitt, wobei Penelope an dem schulterlangen Pagenkopf festhielt, den sie wahrscheinlich schon seit Jahren trug. Ihr Pony war zu kurz, und ich fragte mich, ob sie ihn zwischen den Terminen selbst schnitt. Sie setzte ihre Brille ab und legte sie beiseite. »Ja?«
»Sind Sie Mrs. Delacorte?«
»Ja.« Sie wirkte auf der Hut, als könnte ich ihr womöglich eine einstweilige Verfügung zustellen.
»Kinsey Millhone«, stellte ich mich vor. »Ich bin Privatdetektivin hier am Ort und wurde engagiert, um das Verschwinden von Dr. Purcell zu untersuchen. Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«
Ohne groß ermuntert worden zu sein, hatte ich ihr Büro betreten, meine Regenkluft abgestreift und mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch gesetzt. Meine Umhängetasche und den Regenmantel ließ ich in einem Haufen zu meinen Füßen liegen.
Penelope Delacorte stand auf und schloss die Tür zu ihrem Büro. Meine Anwesenheit schien ihr unangenehm zu sein. Sie war fast einsachtzig groß, schlank und konservativ gekleidet: ein marineblaues Mantelkleid mit kleinen Messingknöpfen die Vorderseite hinauf. Ihre flachen marineblauen Pumps waren schlicht und sahen leicht orthopädisch aus, als wären sie für Senkfüße oder zu starke Einwärtsdrehung verschrieben worden.
Sie setzte sich und legte die Hände in den Schoß. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen kann. Ich war schon weg, als er... verschwunden ist.«
»Wie lange haben Sie für Pacific Meadows gearbeitet?«
»Ich war die letzten acht Jahre dort Verwaltungsleiterin, bis zum 23. August. Die letzten siebenundvierzig Monate dieses Zeitraums habe ich mit Dr. Purcell zusammengearbeitet.« Ihre Stimme wirkte wie ihre Art sehr kontrolliert, als hätte sie ihre innere Skala auf »freundlich« gestellt.
»Ich dachte, er sei der Verwaltungsleiter gewesen.«
»Sein Titel war medizinischer Direktor Schrägstrich Verwaltungsleiter. Ich war stellvertretende Verwaltungsleiterin; insofern haben Sie wohl Recht.«
»Können Sie mir sagen, warum Sie gegangen sind?«
»Genesis, die Betreibergesellschaft, die Pacific Meadows kontrolliert, hat eine Mitteilung erhalten, der zufolge Medicare eine rigorose Prüfung unserer Unterlagen durchführen wollte.«
Ich hob die Hand. »Was hat sie dazu veranlasst? Haben Sie irgendeine Ahnung?«
»Vermutlich eine Beschwerde.«
»Von?«
»Einem der Patienten, einem Vormund, einem verärgerten Mitarbeiter. Ich weiß nicht genau, wer es war,
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