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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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einmal, und so fuhr ich fort. »Sie glauben, sie hat ihn seines Geldes wegen geheiratet?«
    Er erwog die Frage kurz und schüttelte dann den Kopf. »Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, sie liebt ihn aufrichtig, aber sie ist ihr Leben lang arm gewesen. Sie will sich absichern, für den Fall, dass ihm etwas zustößt.«
    »Was halten Sie von den Gerüchten, dass sie eine außereheliche Affäre hatte?«
    »Da müssten Sie Dana fragen. Sie war ja diejenige, die diese merkwürdigen Vorgänge beobachtet hat. Ich möchte mich nicht dazu äußern.«
    »Hat Dr. Purcell irgendetwas gesagt, das darauf hingewiesen hätte, dass er sich absetzen wollte?«
    Joel schüttelte den Kopf. »Ich kann mich an nichts dergleichen erinnern. Ist das die Richtung, in die die Polizei tendiert?«
    »Tja, sie können es nicht ausschließen. Offenbar fehlen sein Pass und eine hohe Geldsumme.«
    Joel starrte mich an, als versuchte er das zu verarbeiten. »Wenn er sich abgesetzt hätte, müsste er aber bis ans Ende seiner Tage auf der Flucht bleiben.«
    »Vielleicht ist das nicht so schlimm wie die Alternative. Nach dem, was Sie sagen, war er verzweifelt.«
    »Genau. Es war ein Albtraum für ihn, dass er womöglich strafrechtlich belangt würde.«
    »Ich habe mit einem Anwalt gesprochen, der meinte, dass es gar nicht so schlimm kommen würde. Er müsste vermutlich das Geld erstatten, aber keine Haftstrafe antreten.«
    »Das sah er anders. Er war zutiefst deprimiert. Die Regierung greift immer härter durch. Er wusste, dass sie womöglich beschließen würden, an ihm ein Exempel zu statuieren. Es geht in erster Linie um den Gesichtsverlust, und ich bin mir sicher, dass er den nicht verkraftet hätte.« Er hielt inne und schob vier Stifte von einer Seite des Tisches auf die andere.
    Ich sah, wie sein Blick abschweifte. »Was geht Ihnen durch den Kopf?«
    Er schüttelte den Kopf. »Etwas, das ich noch nie jemandem anvertraut habe. Nachdem ich ihn an diesem Tag gesehen habe, habe ich mich gefragt, ob er... ob er mit dem Gedanken spielte, sich umzubringen. Er hat zwar versucht, seine Hoffnungslosigkeit zu kaschieren, aber vielleicht war es doch zu viel. Er war sich nicht sicher, ob Crystal zu ihm stehen würde, wenn der Skandal erst einmal ans Licht käme. Man muss sich fragen, wie verzweifelt er war und wie weit er zu gehen bereit war, um sich Erleichterung zu verschaffen. Ich hätte ihn fragen sollen, wie es ihm geht. Ich hätte tun sollen, was ich konnte, um ihn zu beruhigen, aber ich habe es nicht getan.«
    »Joel?«
    Wir wandten uns beide um und sahen Dana in der Tür stehen.
    »Harvey ist auf Leitung zwei. Er ruft jetzt schon das zweite Mal an.«
    »Tut mir Leid. Ich gehe lieber ran.«
    »Klar, nur zu. Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Vielleicht möchte ich Ihnen ein andermal noch ein paar Fragen stellen.«
    »Jederzeit«, sagte er. Er stand mit mir auf, und wir schüttelten uns über dem Schreibtisch die Hände. Als ich an der Tür ankam, hielt er bereits den Telefonhörer in der Hand.
    Dana brachte mich zum Aufzug, in den genau zwei Personen passten, da seine Innenmaße etwa denen einer durchschnittlichen Telefonzelle entsprachen. In der Zeit, die er brauchte, hätte ich auch die Treppen hinunterlaufen können. Während des langsamen, surrenden Abwärtsgleitens fragte ich: »Was ist das für eine Geschichte mit Clint Augustine?«
    »Ganz einfach. In den sechs Monaten, die Augustine unser Gästehaus gemietet hatte, ist Crystal, sowie Dow zur Arbeit gegangen war, aus ihrer Hintertür gekommen und durch die Bäume in Clints Häuschen geschlichen. Sie blieb immer etwa eine Stunde und schlich sich dann wieder nach Hause. In der Zwischenzeit hat Rand auf das Baby aufgepasst und mit ihm endlose Spaziergänge durch Horton Ravine unternommen. Es wurde zum Lieblingsthema des ganzen Viertels.«
    »Könnte es dafür nicht auch eine andere Erklärung geben?«
    Dana warf mir ein müdes Lächeln zu, als sie mir meinen Regenmantel reichte. »Vielleicht haben sie ja zusammen Tee getrunken.«

    Das Santa Teresa Hospital — St. Terrys — liegt im Nordwesten der Stadt, einem Viertel, das einst aus offenem Ackerland, ertragreichen Weinbergen, Molkereien und Ställen bestand, allesamt mit fantastischer Aussicht auf die Berge am nördlichen Stadtrand. Frühe Schwarzweißfotografien der Gegend zeigen breite, staubige Straßen und eine Barackensiedlung zwischen lange schon eingeebneten Zitrushainen und Walnussbäumen. Es ist eine Welt, die seltsam kahl

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