Tödliche Gier
behandelt er Sie gut.«
»Offen gestanden ist er verreist.« Ich krümmte mich innerlich, als ich das sagte, weil es wie eine Einladung klang.
»Was ist er von Beruf? Ein piekfeiner Anwalt?«
»Er ist Privatdetektiv wie ich. Halb im Ruhestand. Er war eine Zeit lang wegen einer Knieoperation außer Gefecht.« In Gedanken begann ich zu schielen. So wie ich Dietz beschrieb, klang er wie ein alter Knacker, der kaum noch laufen konnte. In Wirklichkeit war Dietz schon so lange weg, dass es geradezu lächerlich war, wenn ich ihn als meinen Freund bezeichnete.
»Klingt alt.«
»Ist er nicht. Er ist erst dreiundfünfzig.«
Tommy lächelte. »Sehen Sie? Ich wusste doch, dass Sie der Typ sind, der auf Ältere steht. Wie alt sind Sie — fünfunddreißig?«
»Sechsunddreißig.«
»Ich bin achtundzwanzig, in meinen Augen das beste Alter für einen Mann«, erwiderte er. Dann hob er leicht den Kopf. »Da kommt Richard.«
»Wie machen Sie das? Ich habe ihn nicht auf den Parkplatz fahren hören.«
»Radar«, sagte er. Er stand auf, blieb einen Moment lang stehen und ließ den Blick kritisch die Fußleiste entlangschweifen. »Hab ich irgendwelche Flecken übersehen?«
»Soweit ich erkennen kann, nicht.«
Tommy legte den Deckel der Farbdose auf und drückte ihn an den Rändern fest, damit er hielt.
Richard erschien in der Tür. Er trug einen langen schwarzen Regenmantel, dessen Gürtel er am Rücken zusammengebunden hatte. Er war nicht halb so anziehend wie sein Bruder und mit Sicherheit nicht so freundlich, und er begegnete meinem Blick nur mit beiläufigem Blinzeln. »Ich dachte, du hättest heute etwas anderes zu tun«, sagte er zu Tommy.
»Ja, schon, aber ich wollte das hier fertig machen. Ich lasse nicht gern eine Arbeit liegen, bis ich genau weiß, dass sie ordentlich gemacht ist.« Tommy sprach die Sätze, ohne seinen Bruder anzusehen.
Irgendetwas Gereiztes hing zwischen ihnen in der Fuft, aber ich konnte nicht ausmachen, was es war. Sie behandelten einander kühl, als wäre ihre momentane Unterhaltung Teil eines längeren Streits. Tommy ging ins Bad, und ich konnte hören, wie er das Wasser laufen ließ, um seinen Pinsel zu säubern. Kurz darauf kam er wieder heraus und begann seine Werkzeuge zusammenzusuchen. Es kam mir vor wie eine Wiederholung des ersten Abends, an dem ich die Räume gesehen hatte, abgesehen davon, dass keiner von beiden sprach.
»Dann stelle ich Ihnen mal den Scheck aus«, sagte ich, indem ich versuchte, einen wärmeren Ton einzubringen. Ich fasste nach meiner Tasche, holte Scheckheft und Stift heraus und lehnte mich gegen die Wand, während ich das Datum eintrug. »Hevener Properties, Inc.?«, fragte ich.
»Genau.« Richard stand mit den Händen in den Taschen seines Regenmantels da und sah mir beiläufig zu, während ich die Summe eintrug. Als Tommy auf die Tür zuging, bekam ich mit, wie die beiden einen Blick wechselten. Tommys Blick wanderte zu mir, und er lächelte mir hastig zu, bevor er durch die Tür verschwand.
Ich nahm den Scheck heraus und reichte ihn Richard, der seinerseits den Mietvertrag aus der Innentasche seines Regenmantels zog. Er hatte die betreffenden Stellen bereits ausgefüllt. Ich begann mir das Kleingedruckte durchzulesen, während Richard mich musterte.
»Ich hoffe, er belästigt Sie nicht.«
»Wer — Tommy? Überhaupt nicht. Wir haben über die Veranda geplaudert. Außerdem wollte ich ein paar Sachen ausmessen, weil ich gern Regale einbauen würde.«
»Natürlich. Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Bestens. Er hat es prima hingekriegt.«
»Wann ziehen Sie ein?«
»Ich hoffe, Anfang nächster Woche.«
»Gut. Hier ist meine Karte. Ich bin nämlich derjenige, den Sie anrufen sollten, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Mietvertrag zu und las ihn Zeile für Zeile. Er kam mir völlig normal vor, ohne Tricks, ohne versteckte Fallen, ohne ungewöhnliche Einschränkungen.
Richard sah mir beim Lesen zu. »Was für Fälle bearbeiten Sie?«
»Eigentlich alles. Es wechselt. Momentan untersuche ich das Verschwinden eines Arztes, der seit fast zehn Wochen unauffindbar ist. Im Januar habe ich einen vermissten Erben aufgespürt.«
»Überwiegend lokale Fälle?«
»In erster Linie schon. Manchmal arbeite ich auch außerhalb Kaliforniens, aber die Klienten kommt es normalerweise billiger, wenn sie einen Ermittler in ihrer eigenen Gegend engagieren. Dann müssen sie nämlich keine Reisespesen bezahlen — und die können sich
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