Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
summieren.« Ich kritzelte meinen Namen unten auf den Vertrag, reichte ihm ein Exemplar und behielt das andere für meine Unterlagen. »Ich sage das immer wieder, aber der Beruf ist wesentlich langweiliger, als man meint. Ermittlungen über die persönlichen Verhältnisse einer Person oder Akten im Einwohneramt durchforsten. Früher habe ich mal für eine Versicherung gearbeitet und Fälle von Brandstiftung und fahrlässiger Tötung untersucht, aber ich arbeite lieber allein.« Da ich nicht unzuverlässig wirken wollte, verschwieg ich die Tatsache, dass mir die California Fidelity den Stuhl vor die Tür gestellt hatte. Ich hoffte, er würde nicht nachhaken, weil ich ihn nicht schon gleich zu Beginn anlügen wollte.
    »Tja. Dann gebe ich Ihnen mal lieber den Schlüssel.« Er kramte in seiner Manteltasche herum, zog ein Bund heraus und ging zehn oder fünfzehn Schlüssel durch, bis er den richtigen gefunden hatte. Er machte ihn los und ließ ihn in meine Handfläche fallen. »Vielleicht lassen Sie sich einen zweiten machen, falls Sie den hier mal verlieren.«
    »Mach ich. Danke.« Ich zog mein Bund hervor und hängte den Schlüssel zu meiner bescheidenen Sammlung.
    Nachdem er gegangen war, zog ich das Maßband heraus und begann den Raum zu vermessen: den Abstand zwischen den Fenstern, die Tiefe des Wandschranks, den Abstand zur Tür. Ich machte mir eine grobe Skizze auf meinem Block, setzte mich mitten auf den Teppich und tippte mir mit dem Stift an die Lippe, während ich den Raum studierte. Mit dem Geruch nach neuem Teppich und frischer Farbe wirkte das Büro so sauber und geleckt wie ein Neuwagen. Draußen vor dem Fenster war der trübe Tag zu sehen, aber hier drinnen herrschte eine Atmosphäre des Neubeginns.
    Ich wollte gerade zusammenpacken, als das Telefon klingelte. Vor Schreck machte ich einen Satz und starrte dann den Apparat an. Es musste jemand sein, der Richard oder Tommy sprechen wollte; es konnte nicht für mich sein. Beim fünften Klingeln nahm ich zögernd ab. »Hallo?«
    Wieder der schleppende Akzent. »Hey, ich bin’s. Ist mein Bruder noch da?«
    »Er ist gerade gegangen.«
    »Ich dachte mir, wir zwei könnten vielleicht zusammen was trinken gehen.« Seine Stimme klang leise und verführerisch durchs Telefon. Ich konnte hören, dass er lächelte und sich die Sprechmuschel dicht vor die Lippen hielt.
    »Warum?«
    »Warum?« Sein Lachen kam perlend durch den Hörer. »Was glauben Sie, warum?«
    »Gibt es Probleme zwischen Ihnen und Richard?«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte den Eindruck, es passte ihm nicht, dass Sie mit mir gesprochen haben. Na ja, und jetzt fragen Sie mich, ob ich mit Ihnen etwas trinken gehe, aber ich bin mir nicht sicher, ob das so klug wäre.«
    »Sie sind die Mieterin. Er ist streng. Aber trotzdem geht ihn das einen feuchten Kehricht an.«
    »Ich möchte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    Er lachte. »Keine Sorge. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
    »So habe ich es nicht gemeint. Ich will keinen Ärger verursachen.«
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt. Es ist kein Problem. Und jetzt hören Sie schon auf, sich vor der Frage zu drücken, und lassen Sie sich auf ein Glas Wein einladen.«
    »Es ist erst vier Uhr.«
    »Und?«
    »Ich muss noch arbeiten.«
    »Wann sind Sie fertig?«
    »Vermutlich erst gegen sechs.«
    »Gut. Dann gehen wir gleich essen.«
    »Kein Essen. Auf einen Drink. Und zwar nur einen«, sagte ich.
    »Sie bestimmen. Sagen Sie, wo Sie hinwollen, und ich komme.«
    Ich überlegte kurz und entschied, ihm Rosie’s zu nennen, das nicht zu den meistbesuchten Lokalen gehörte. Die ganze Sache kam mir ein bisschen heimlichtuerisch vor, so als sollte uns Richard möglichst nicht zusammen sehen. Trotzdem wusste ich nicht, was dabei sein sollte, mit Tommy etwas trinken zu gehen. »Es gibt da ein Lokal gleich beim Strand«, sagte ich und gab ihm Rosie’s Adresse. »Wissen Sie, wo das ist?«
    »Ich finde es.«
    »Ich verspäte mich vielleicht.«
    »Ich warte.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, fragte ich mich, ob ich einen Fehler gemacht hatte. Es ist nicht besonders klug, das Berufliche mit dem Privaten zu vermischen. Er war jetzt mein Vermieter, und wenn irgendetwas schief ging, konnte ich mir neue Räume suchen. Andererseits war ich aber auch mit Lonnie Kingman befreundet, und das hatte keinerlei Probleme ausgelöst. Die Vorstellung, Tommy wiederzusehen, heiterte mich auf. Wenn ich Glück hatte, entpuppte er sich als Blödmann, und ich würde

Weitere Kostenlose Bücher