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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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    Doch zuvor musste ich mich noch einmal mit Dow Purcell befassen. Ich würde ganz an den Anfang zurückkehren — nämlich zu Pacific Meadows und dem Abend, als er spurlos verschwunden war.

    Diesmal war der Parkplatz von Pacific Meadows voll. Ich manövrierte meinen VW in die allerletzte Lücke auf der linken Seite, indem ich ihn an die Hecke quetschte. Dann schloss ich den Wagen ab und patschte durch seichte Pfützen zum Haupteingang. Der Wind blies mir in den Rücken, und meine Lederstiefel hatten Wasserflecken, bis ich endlich im Trockenen angelangt war. Ich lehnte den Schirm gegen die Wand und hängte den Regenmantel an einen Haken. Heute roch es nach Tomatensoße, Nelken, feuchten Wollsocken, Blumentopferde und Babypuder. Ich las mir das Abendmenü durch, das neben der Doppeltür zum Speisesaal an der Wand hing. Gegrilltes Rippenstück, gebackene Bohnen, Mischgemüse aus Brokkoli und Blumenkohl (das war endlich mal ein Knüller) und zum Nachtisch Götterspeise mit Obstsalat. Ich hoffte, es wäre Kirsch, zweifellos der Lieblingsgeschmack jeder Altersgruppe. Da heute Werktag war, waren mehr Bewohner in der Halle unterwegs.
    Der Aufenthaltsraum war fast voll. Man hatte die Vorhänge zugezogen, und der Raum wirkte gemütlicher. Ein Grüppchen sah sich eine Nachrichtensendung an und ein zweites einen Schwarzweißfilm mit Ida Lupino und George Raft. In der Ecke gegenüber führte eine Frau mittleren Alters sechs ältere Bewohnerinnen durch ein Gymnastikprogramm, das sich darin erschöpfte, dass sie die Arme hoben und mit den Füßen auf der Stelle traten, während sie auf ihren Klappstühlen sitzen blieben. Der menschliche Körper ist für Bewegung gemacht, und diese paar Frauen taten immer noch, was sie konnten, um sich fit zu halten. Ein Hoch auf sie.
    Ich nickte der Frau an der Rezeption zu und tat so, als ginge ich hier ständig ein und aus. Ohne aufgehalten zu werden, marschierte ich weiter zur Verwaltung, wo ich Merry antraf, wie sie gerade eine Patience legte. Schuldbewusst sah sie auf, schob die Karten zusammen und warf sie hastig in ihre Schreibtischschublade. »Hi. Wie geht’s?«, sagte sie. Ich sah ihr an, dass sie sich an mein Gesicht erinnerte, aber nicht an meinen Namen.
    »Kinsey Millhone«, sagte ich. »Ich dachte, ich schaue mal vorbei und frage, ob Mrs. Stegler da ist. Ich hoffe, sie hat noch nicht für heute Schluss gemacht.«
    Merry zeigte nach rechts, wo soeben eine Frau mit einer Gartenschere und einem Büschel kahler, brauner Efeuranken aus dem hinteren Büro kam. »Jetzt sieht es schon besser aus«, sagte sie. »Dr. P. hat mir nie erlaubt, mich um seine Pflanzen zu kümmern, als er noch da war.« Es brachte sie ein wenig aus dem Konzept, mich zu sehen, doch sie ging weiter bis zum Papierkorb und warf ihre Pflanzenabfälle hinein.
    Ihr Haar war oben auf dem Kopf buschig und um die Ohren herum kurz geschnitten. Sie trug einen zu großen braunen Blazer, ein Hemd mit Krawatte und eine maskuline Hose. In der Brusttasche ihrer Jacke bauschte sich ein Einstecktüchlein aus goldfarbener Seide. Die Kappen ihrer braunen Halbschuhe spähten unter den unförmigen Hosenbeinen hervor. In der Länge hätte sie gut fünf Zentimeter mehr haben können.
    »Mrs. Stegler? Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin gekommen, weil ich hoffe, dass Sie mir ein paar Angaben über Dr. Purcell machen können.«
    Sie zog ein Papiertaschentuch aus der Schachtel auf Merrys Schreibtisch und wischte sich sorgfältig die Hände ab, bevor sie mir schließlich die Rechte zum Schütteln entgegenstreckte. »Merry hat mir erzählt, dass Sie am Samstag schon mal da waren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen helfen kann. Ich spreche aus Prinzip nicht ohne seine ausdrückliche Erlaubnis über meinen Arbeitgeber.«
    »Das verstehe ich«, sagte ich. »Ich erwarte auch nicht, dass Sie ein Vertrauensverhältnis verletzen. Kennen Sie Fiona Purcell?«
    »Natürlich. Dr. Purcells erste Frau. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren.«
    »Sie hat mich engagiert, weil sie hofft, dass ich ihn ausfindig machen kann. Ich bin sogar auf ihren Vorschlag hin hier. Sie meinte, ein Gespräch mit Ihnen wäre der logische Einstieg.«
    Mrs. Stegler schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, aber als der Doktor an diesem Abend das Haus verlassen hat, war ich schon weg«, sagte sie fast trotzig. Ich merkte ihr an, dass es sie freute, nichts zu diesem Thema beitragen zu können.
    »Haben Sie an diesem Tag mit ihm

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