Tödliche Gier
Verbindungen zu kappen, aber (schäbig wie ich bin) war es mir zuwider, mich von mehr als sechzehnhundert Dollar zu verabschieden. Die Lage war heikel. Von der Moral einmal abgesehen, kann es nicht gesellschaftlich korrekt sein, mit zwei eiskalten Killern Umgang zu pflegen. Aber wie kam ich aus meinem Vertrag mit ihnen heraus? Selbst in Kalifornien war Etikette überaus wichtig. War man höflich? Gestand man die Gründe ein, aus denen man die Geschäftsbeziehung abbrach? Ich dachte an das sanfte Leuchten in Tommys Augen und stellte mir dann vor, wie er seiner Mutter die Hände fesselte, bevor das Haus in Brand gesteckt wurde. Wenn er mich wieder anrief, sollte ich dann den Mord an seinen Eltern erwähnen oder einfach eine Ausrede erfinden? Ich wollte die Sache schnell hinter mich bringen. Brach ich aber jeglichen Kontakt ab, weigerte ich mich wiederum, Mariah Talbot zu helfen. Ich schreckte nur selten vor einem Risiko zurück und war — wie sie so schonungslos bemerkt hatte — durchaus bereit, ein Auge zuzudrücken, wenn es mir in den Kram passte.
Als ich meine Wagentür abschloss, sah ich Trudy, die Deutsche Schäferhündin, die mir bei meinem letzten Besuch schon begegnet war. Sie kam die Straße heraufgerast, ein unternehmungslustiges Jungtier, vermutlich kaum ein Jahr alt und begeistert davon, in der kühlen Novemberluft draußen zu sein. Sie hockte sich hin, um ein paar Tropfen abzulassen, senkte dann die Schnauze auf die Erde und verfolgte die unregelmäßige Spur eines Tierchens, das zuvor hier vorbeigekommen war — Kaninchen oder Beutelratte oder vielleicht ein watschelnder Waschbär. Die Hundebesitzerin folgte auf dem Fuße und behielt den Weg der Hündin im Blick, für den Fall, dass sie auf etwas stieß, das größer war als sie selbst. Als ich die Stufen zu Fionas Vordereingang erklommen hatte, waren Frau und Hund bereits außer Sichtweite. Henry und Rosie lagen mir ständig damit in den Ohren, dass ich mir auch einen Hund anschaffen sollte, aber mir leuchtete der Sinn nicht ein. Warum soll ich Verantwortung für ein Wesen übernehmen, das nicht einmal eine Spültoilette benutzen kann?
Fiona musste mich erwartet haben, da ich die Klingel kaum berührt hatte, als sie schon die Tür aufmachte. Ihr neueste Kluft bestand aus einer langärmligen Crepe-de-Chine-Bluse, die wie eine Eisenhower-Jacke aus der Nachkriegszeit geschnitten und in der Taille gegürtet war. Ihr schwarzer Wollrock war röhrenförmig, endete in der Mitte der Wade und entblößte so die unattraktivste Partie des weiblichen Beines. Dazu trug sie hochhackige, klobige Schuhe mit mehreren Riemchen am Knöchel. Auf ihren braun gefärbten Focken saß eine Abart des Schiffchens des U. S. Women’s Army Corps aus Samt mit Pailletten. Ich roch Zigaretten und Shalimar und fühlte mich urplötzlich an den Topf Mum-Deocreme erinnert, aus dem meine Tante immer eine Portion entnommen und mit den Fingerspitzen unter den Achseln verrieben hatte.
»Sie hätten auch draußen in der Einfahrt parken können, anstatt all die Treppen hochzusteigen«, empfing mich Fiona. Der Inhalt war harmlos, aber ihr Ton so vorwurfsvoll, als würde sie am liebsten einen Streit mit mir anfangen.
»Ich brauche das Training«, sagte ich, indem ich den Köder verweigerte.
Als sie von der Tür wegtrat, rückte sie ihre Uhr zurecht und blickte verstohlen nach unten, um zu sehen, ob ich zu spät kam. Wie immer war ich superpünktlich und dachte Ha-ha-du-kriegst-mich-nicht , als ich ihr ins Flaus folgte.
In der Diele stand immer noch das Malergerüst, und Abdeckmaterial bedeckte den Boden wie eine dünne Schneeschicht aus Segeltuch. Seit unserem Treffen am Freitag war nichts angerührt worden, und ich vermutete, dass sie den Handwerkern nicht zutraute, ohne sie weiterzuarbeiten. Vielleicht war den Malern aber auch selbst klar gewesen, dass sie besser nicht in ihrer Abwesenheit weitermachten. Sie war der Typ, der sie alles noch einmal streichen ließe, sobald sie zur Tür hereinkam. Ich konnte sehen, dass die Wand nach wie vor in drei verschiedenen Weißschattierungen gestrichen war.
Als ich ihr den braunen Umschlag hinhielt, hätte man meinen können, ich böte ihr auf einem Tablett eine Wanze an.
»Was ist das?«, fragte sie misstrauisch.
»Sie sagten, Sie wollten einen Bericht.«
Sie öffnete den Umschlag und beäugte die Blätter. »Na dann danke. Ich weiß es zu schätzen«, sagte sie und tat meine Mühen mit einem Blick ab. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus,
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