Tödliche Gier
doch schön, finden Sie nicht?«
»Da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Das hier ist eine kleine Stadt. Die Leute tratschen. Ich habe ja nicht einmal erlaubt, dass er seinen Wagen auf der Stellfläche parkt. Ich ließ ihn immer in die leere Garage fahren. Niemand wusste von seinen Besuchen.«
»Zumindest niemand, dem Sie es erzählt hätten.« Ich bekam Gewissensbisse, sowie ich es ausgesprochen hatte, denn ihr Blick war der einer Verratenen.
»Er hat mir geschworen, es Crystal nicht zu sagen. Er meinte, es würde sie nur verletzen, und das wollte keiner von uns.«
»Ich behaupte ja nicht, dass er es Crystal erzählt hätte. Es war jemand anders.«
»Trigg.«
»Ja«, sagte ich. Schließlich war es ihr Geld. Sie hatte ein Recht, es zu erfahren. Ich habe nur wenige Skrupel, und die sind noch dazu willkürlich. »Und was ist mit Lloyd Muscoe? Hat Dow je mit Ihnen über ihn gesprochen?«
»Ein bisschen. Sie mochten sich nicht und gingen sich so weit wie möglich aus dem Weg. Zuerst waren es Revierkämpfe — wie bei rivalisierenden Affen. Crystal hat das sicher genossen. Später drehten sich die Spannungen zwischen ihnen mehr um Leilas Beziehung zu Lloyd.«
»Ich habe gehört, dass Dow meinte, Lloyd habe einen schlechten Einfluss auf das Mädchen.«
»Ich kenne Lloyd im Grunde kaum und möchte das Thema deshalb nur ungern erörtern.«
»Ach, versuchen Sie’s doch. Ich bin sicher, Ihnen fällt etwas ein.«
»Zum Beispiel ist er gewöhnlich.«
»Zum Glück ist das in Kalifornien kein Verbrechen, sonst säße ich selbst hinter Gittern.«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine. Die beiden bezahlen einen Haufen Geld, um Leila auf diese Privatschule zu schicken. Nur verstehe ich den Sinn der Sache nicht, wenn sie dann die Hälfte ihrer Wochenenden mit jemandem wie ihm verbringt.«
»Aber Lloyd ist der einzige Vater, den sie je hatte. Bestimmt hält Crystal es für wichtig, dass Leila die Beziehung zu ihm aufrechterhält.«
» Wenn das ihr Motiv ist. Vielleicht will sie einfach die Zeit für sich haben. Leilas Benehmen sprengt jede Norm für ihr Alter. Es steht außer Frage, dass das Mädchen schwer gestört ist. Ich wette, Lloyd hat sich über Dows Einmischung geärgert. Anstatt Ihre Zeit mit Blanche zu verbringen, hätten Sie lieber mit ihm sprechen sollen.«
Trigg hatte mir erzählt, dass Lloyd in der kleinen Gartenwohnung hinter dem Haus mit den gelben Schindeln an der Ecke Missile und Olivio wohnte. Ich parkte davor und ging zu Fuß die schmale Einfahrt entlang. Ungepflegte Hecken wuchsen von beiden Seiten in den Weg hinein und bildeten nasse Laubwände, aus denen vereinzelte Schauer tropften, als ich vorbeiging. Auf dem Rasen am Ende der Einfahrt stand ein 1952er Chevrolet. Ein paar durchweichte Blätter klebten auf der Motorhaube, aber abgesehen davon wirkte der Wagen sauber und gepflegt. Der Garten war verwildert, und das kleine, hölzerne Häuschen hätte früher einmal ein Gärtnerschuppen gewesen sein können. Ich stieg die zwei flachen Holztreppen zur Veranda hinauf und klopfte am Rahmen der Fliegentür.
Niemand reagierte auf mein Klopfen. Ich nahm mir die Zeit, das Häuschen einmal zu umrunden, von einem Fenster zum anderen zu gehen und hineinzuspähen. Es gab vier kleine Räume — Wohnzimmer, Küche und zwei winzige Schlafzimmer mit einem Bad dazwischen — , und alle waren völlig leer. Ich kehrte zur Vordertür zurück und zog die Fliegentür auf. Ich drehte am Türknauf. Die Tür gab unter meiner Berührung nach und schwang auf. Ich drehte mich um und musterte das Haupthaus, aber niemand schien meinen Blick zu erwidern. Ich betrat das Gartenhaus, und meine Schritte hallten von den kahlen, verputzten Wänden wider.
Die Räume rochen modrig. Die Böden waren mit abgetretenem Linoleum ausgelegt, dessen Muster schon verblichen war. Im ersten Schlafzimmer hatte irgendjemand Kleiderbügel verstreut. Im Schrank war nichts. Im zweiten Schlafzimmer lag eine Doppelmatratze auf dem Fußboden, und als ich die Schranktür öffnete, entdeckte ich ganz hinten hineingestopft zwei Bündel zusammengerolltes Bettzeug. Das Fenster in diesem Zimmer stand einen Spalt weit offen, eine Einzelheit, die ich nicht bemerkt hatte, als ich das Häuschen umrundet hatte. Vielleicht stieg Lloyd ab und zu noch zum Übernachten hier ein. Jeder konnte sich die Hecken entlang zum hinteren Teil des Grundstücks schleichen und das Häuschen betreten, ohne gesehen zu werden. Auch im Badezimmer war nichts außer einer Badewanne
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