Tödliche Gier
Deckel heraus. »Soll ich die mal durchchecken und schauen, was dabei herauskommt?«
»Warte einen Moment. Lass es mich erst noch mal bei Lloyd versuchen.« Crystal ging zum Telefontisch und nahm den Hörer ab. Dann wählte sie sieben Ziffern, lauschte kurz und legte wieder auf. »Er meldet sich immer noch nicht. Leilas Stiefvater«, fügte sie erklärend hinzu.
»Ich weiß. Ich habe ihn bei meinem ersten Besuch im Strandhaus gesehen.«
»Ich versuche ihn zu erreichen, seit Nica gekommen ist. Er ist garantiert zu Hause. Nur sind ihm ständig Geldeintreiber auf den Fersen, deshalb geht er oft nicht ans Telefon. Ich habe ihm sechsmal auf den Anrufbeantworter gesprochen, also muss er wissen, dass es wichtig ist. Man sollte eigentlich erwarten können, dass er zurückruft.«
»Hören Sie, ich brauche ohnehin einen Vorwand, um mit ihm zu reden. Lassen Sie doch mich zu ihm fahren und nachsehen, ob Leila dort ist. Wenn nicht, kann ich anfangen, die Straßen abzusuchen.«
»Das ist keine schlechte Idee. Nica und ich können hier bleiben, falls sie beschließt, zu Hause aufzutauchen.« Crystal fasste nach einem Stift, kritzelte ein paar Nummern auf einen Notizblock und riss das Blatt ab. »Das sind meine Nummern und Lloyds Adresse und Telefonnummer.«
»Sie haben zwei Anschlüsse?«
»Genau. Der hier ist privat und der andere geschäftlich.«
Ich zeigte auf die erste Nummer. »Vielleicht könnten Sie diese Leitung frei halten. Sie können ja die andere benutzen, um bei ein paar von Leilas Freundinnen nachzufragen.«
»Wenn Sie Lloyd antreffen, können Sie ihm sagen, dass ich es satt habe, die ganze Last allein zu tragen. Es ist höchste Zeit, dass er seinen gerechten Anteil daran übernimmt.«
Auf dem Weg zu meinem Wagen ging mir die Frage durch den Kopf, wie Kinder geschiedener Eltern eigentlich das ganze Gezänk verkraften.
14
Lloyd wohnte in einer Straße namens Gramercy Lane, die sich an den Ausläufern der Hügel entlangschlängelte. Es war eine dieser Straßen, auf denen man nur stoß- und ruckweise vorankommt. Ich sah auf meinen Stadtplan von Santa Teresa und suchte die richtigen Koordinaten. Irgendwo müsste ich auf die Gramercy einbiegen und dann anhand der Hausnummern herausfinden, in welcher Höhe ich mich befand und wo Lloyds Haus lag. Ich ließ den Stadtplan aufgeschlagen auf dem Beifahrersitz liegen, während ich den Zündschlüssel umdrehte. Der Regen wurde wieder stärker, überdimensionale Tropfen, die auf meine Motorhaube prallten wie Kieselsteine, die von einer unasphaltierten Straße auffliegen. Ich schaltete die Scheibenwischer ein und sah auf die Uhr. Es war Viertel nach drei. Da die Novembertage kurz waren und der Regen düstere Stimmung verbreitete, hatte man den Eindruck, als setzte bereits nachmittags um vier die Dämmerung ein. Eigentlich wäre ich in diesem Augenblick lieber nach Hause gefahren, als in der Stadt herumzukurven und einen ausgerissenen Teenager zu suchen.
Ich rauschte durch das steinerne Tor, das die vordere Einfahrt nach Horton Ravine markierte, und folgte der kurvigen Straße nach rechts. An der ersten roten Ampel sah ich erneut auf den Stadtplan, indem ich den Kopf schief legte. Die Gramercy Lane, oder zumindest Teile derselben, lagen innerhalb eines Radius von drei Kilometern vom Haus der Purcells in Ravine entfernt. Falls Leila von Malibu aus in nördlicher Richtung per Anhalter auf der 101 gefahren war, hätte sie wahrscheinlich darum gebeten, an der Little Pony Road aussteigen zu können, also eine Ausfahrt weiter südlich. Die Ampel schaltete um, und ich fädelte mich auf der äußersten rechten Spur in den in südlicher Richtung fließenden Verkehrsstrom ein. Bis zur Little Pony Road waren es keine zwei Kilometer.
Bei dem Gedanken, dass Leila per Anhalter fuhr, krampfte sich mir der Magen zusammen. Zwar war durchaus denkbar, dass ein anständiger Mitbürger sie mitnahm, doch bestand ebenso die Möglichkeit, dass sie sich verkalkulierte. Nicht jeder Fahrer auf der Straße trägt die besten Absichten im Herzen. Mit ihren vierzehn Jahren fühlte sie sich noch unbesiegbar. Für sie waren Überfall, Vergewaltigung, Körperverletzung und Mord Dinge, von denen sie in der Zeitung las, falls sie überhaupt eine las. Perversion und Exhibitionismus waren Wörter auf einer Vokabelliste ihrer Schule, keine bösartigen Verhaltensweisen, die irgendetwas mit ihr selbst zu tun haben könnten. Ich hoffte, ihre Schutzengel waren zur Stelle.
Ich nahm die Ausfahrt Little Pony
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