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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Einfachste wäre, Crystal zu fragen, wohin Lloyd gezogen war. Da die beiden sich das Sorgerecht für Leila teilten, nahm ich an, dass sie es wüsste. Ich ließ den Motor an und fuhr nach Horton Ravi-ne.

    Dr. Purcells Haus stand auf einem üppig bewachsenen, waldigen Hügel, von dem aus man ein kleines Stück Meerblick erhaschen konnte, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellte. Das Haus selbst war nichts Besonderes, auch wenn Fiona noch so mit ihrem Talent für Entwürfe prahlte. Wie es ihre Art war, hatte sie eine Schachtel auf die nächste gestellt, eine Ebene auf die andere, bis zu dem flachen Betondach. Ein glänzender Pool erstreckte sich vor dem Bau und lieferte ein Spiegelbild des Hauses, falls man es beim ersten Blick übersehen haben sollte. Der Stil war zwar futuristisch, aber trotzdem merkwürdig altmodisch und von Architekten abgeschaut, die begabter waren als sie. Zweifellos entsprach es nicht Crystals Geschmack, und ich konnte verstehen, warum es ihr Unbehagen verschaffte, hier leben zu müssen. Bei ihrer Liebe zu dem aus Glas und Holz erbauten Strandhaus im Cape-Cod-Stil musste sie sich hier wie im Gefängnis gefühlt haben. Der weiße Volvo und das Audi-Cabrio standen in der Einfahrt, daneben ein flotter, kleiner schwarzer Jaguar, den ich noch nie gesehen hatte.
    Als ich klingelte, hörte ich nichts, doch binnen einer Minute erschien Crystal an der Tür. Sie trug Stiefel, eine schwarze Wollhose und einen schweren schwarzen Wollpullover. Ihr Haar plusterte sich wie Gefieder um ihr Gesicht, die einzelnen, stufig geschnittenen Strähnen völlig durcheinander. »Gut. Gott sei Dank. Vielleicht können Sie uns helfen. Nica, es ist Kinsey! Kommen Sie rein«, sagte sie mit gequälter Miene zu mir.
    Ich trat ins Haus. »Was ist denn los?«
    »Anica ist gerade aus Fitch gekommen«, antwortete sie. »Leila hat das Gelände ohne Erlaubnis verlassen, und wir versuchen sie zu finden, bevor sie sich alles versaut. Sie fliegt von der Schule, sobald sie merken, dass sie weg ist. Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ich verliere nur die Nerven. Rand ist mit Griff in den Zoo gegangen.«
    Anica kam aus dem Wohnzimmer. Sie trug marineblaue Hosen und einen roten Blazer mit einem in Gold gestickten Fitch-Academy-Wappen auf der Brusttasche. Ihre Bluse war maßgeschneidert und blütenweiß, und ihre Füße steckten in flachen marineblauen Pumps. Sie gab sich unkompliziert und brachte trotz Crystals Verzweiflung ein breites Lächeln zu Stande. »Wieder mal mitten ins Chaos geplatzt. Hallo, Kinsey. Schön, Sie wiederzusehen. Wie geht’s?« Sie streckte eine Hand aus, die ich ergriff und schüttelte.
    »Gut. Das mit Leila tut mir Leid. Glauben Sie, dass sie auf dem Weg hierher ist?«
    »Hoffen wir’s«, meinte Crystal, während sie auf die Küche zusteuerte. »Ich mache Kaffee, und dann können wir uns überlegen, was wir tun. Sie weiß, dass sie nicht per Anhalter fahren soll. Ich habe es ihr ausdrücklich verboten...«
    »Deswegen hat sie es vermutlich getan«, sagte Anica.
    »Ich wäre schon krank vor Sorge, wenn ich nicht so wütend auf sie wäre. Wie trinken Sie Ihren Kaffee, Kinsey?«
    »Am liebsten schwarz.«
    Während Anica und ich ihr in die Küche folgten, musterte ich kurz das Wohnzimmer zu meiner Rechten. Das Innere des Hauses war seltsam: Steinböden, kahle weiße Wände, keine Fensterbehänge, alles eckig und voller kaltem Licht — eindeutig Fionas Handschrift. Darüber hatte Crystal ihren eigenen Geschmack zur Geltung gebracht: verschiedene abgenutzte Orientteppiche lagen nebeneinander wie Teile eines Puzzles, dazu durchgesessene Polstermöbel mit auswechselbaren Bezügen aus verblichenem Chintz. Die Holztische und die gepolsterten Stühle waren antikweiß, die Sitzpolster grün-weiß kariert. Einige Einzelstücke waren aus Bugholz: voluminöse, gerundete Stühle, deren Sitzflächen aus Zweigen geflochten waren. Es gab eine weiß lackierte schmiedeeiserne Liege, auf der sich übergroße Kissen in nicht zusammenpassenden Farben stapelten. Bücherstöße lagen auf dem Couchtisch, und Blumenvasen standen willkürlich verteilt herum. Die Wirkung war gemütlich und lässig, ein Haus, in dem Kinder herumtoben konnten, ohne viel zu ruinieren, da alles schon von vornherein ruiniert aussah.
    In der Küche zeigten sich ähnliche Veränderungen. Ich konnte Fionas schmucklosen Ansatz erkennen: kalte, stromlinienförmige Flächen und abgerundete Art-Deco-Ecken. Crystal hatte Schränke mit Glastüren und eine kleine

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