Tödliche Gier
gerade an der Straße meines Vaters vorbeigefahren«, sagte Leila.
Ich bremste ab, bog in die nächste Einfahrt und stieß rückwärts wieder heraus. Dann fuhr ich den halben Block bis zur Gramercy und bog links ab. Dieser Abschnitt war nur ein paar hundert Meter lang, ein Wirrwarr aus billigen Häuschen, die vielleicht früher als Unterkünfte für Wanderpflücker in den umliegenden Avocadoplantagen gedient hatten. Die Straße war hier ungepflastert, und es gab keine Gehsteige. Ich konnte bis zum Ende nur eine einzige Straßenlampe entdecken. Leila wies auf ein verwittertes Haus mit einem steilen Satteldach, das auf einem kleinen Erdhügel stand. Es war der einzige Bau seiner Art — ein bodenständiges Holzhäuschen unter lauter Hütten. Ich bog in die Einfahrt und stellte den Motor aus. »Möchtest du nachsehen, ob er da ist? Ich würde gern mit ihm sprechen.«
»Worüber?«
»Über Dr. Purcell, falls du nichts dagegen hast.«
Leila stieß die Tür auf und griff nach ihrem Rucksack, den ich ihr mit einer Hand wieder entriss. »Lass den mal bei mir. Ich bringe ihn gerne rein, falls Lloyd da ist.«
»Warum kann ich ihn nicht mitnehmen?«
»Versicherung. Ich möchte nicht riskieren, dass du mir ausbüxt. Du hast auch so schon genug Ärger am Hals.«
Sie seufzte genervt, tat aber wie geheißen. Ich beschloss, die Wucht zu ignorieren, mit der sie die Beifahrertür zuknallte. Ich sah ihr nach, wie sie den Kiesweg entlang zum Haus ging. Regenwasser kam die Anhöhe herabgeströmt und drückte die langen Halme des ungemähten Grases platt. Leila war inzwischen an der Veranda angelangt, die lediglich von einem schmalen, umgekehrten V aus Holz geschützt wurde. Sie klopfte an die Tür, schlang sich fröstelnd die Arme um den Oberkörper und sah zu mir her, während sie wartete, dass er aufmachte. Das Haus kam mir finster vor. Sie klopfte erneut. Dann trat sie an eines der vorderen Fenster, wölbte die Hände und spähte hinein. Nach erneutem ergebnislosem Klopfen kam sie zum Auto zurückgepatscht und stieg wieder ein. »Wahrscheinlich kommt er gleich. Ich weiß, wo er den Schlüssel versteckt, also kann ich ja hier auf ihn warten.«
»Gut. Ich warte mit dir. Wir zwei können ja hier im Auto ein bisschen plaudern, bis er kommt.«
Dieser Vorschlag schien die Kleine nicht zu begeistern. Sie trat mit ihren verdreckten Wanderstiefeln gegen den Rucksack. »Ich will aber rein. Ich muss pinkeln.«
»Gute Idee. Ich auch.«
Wir stiegen aus. Ich schloss den Wagen ab und folgte ihr den Weg entlang. Am Haus angekommen, schob Leila einen Topf verwelkter Geranien beiseite und fischte den Hausschlüssel aus seinem wahnsinnig originellen Versteck. Ich wartete, während sie die Tür aufschloss.
»Hat er das gemietet?«
»M-m. Er passt für einen Freund auf das Haus auf. Irgendein Typ, der nach Florida gefahren ist. Aber er kommt nächste Woche wieder.«
Das Innere des Hauses bestand im Grunde nur aus einem einzigen großen Raum. Die Dachschräge zog sich weit hinauf. Zur Rechten führte eine schmale Treppe auf eine Schlafgalerie. Im unten gelegenen Wohnzimmer standen plumpe Holzmöbel mit imitierten indianischen Decken darüber. Der Holzboden war nackt. Ich konnte hören, wie unter meinen Schuhsohlen der Schmutz knirschte. Ein dickbauchiger, alter schwarzer Ofen verströmte einen Geruch nach kalter Asche. Weiter hinten grenzte eine Theke den Raum zur Küche ab, die schon von hier aus schmutzig aussah.
Ich sah das Telefon auf einem kleinen Abstelltisch stehen. »Willst du deine Mom anrufen oder soll ich das tun?«
»Machen Sie’s. Ich gehe aufs Klo, und keine Sorge — ich laufe nicht davon.«
Während sie die sanitären Einrichtungen nutzte, erledigte ich den obligatorischen Anruf bei Crystal. Vorübergehend an mein Ehrenwort gebunden, erwähnte ich Paulie nicht. »Ich bleibe hier, bis Lloyd nach Hause kommt. Wenn es zu spät wird, versuche ich Leila dazu zu überreden, mit zu Ihnen zu fahren.«
»Offen gestanden bin ich so wütend auf sie, dass ich sie gar nicht sehen will. Aber ich beruhige mich gleich, wenn ich erst mal was getrunken habe. Anica ruft in der Schule an. Ich habe keine Ahnung, was sie denen erzählen will. Es geschähe Leila recht, wenn sie suspendiert oder rausgeworfen würde.«
»Verstanden«, sagte ich. »Ich halte Sie über unsere weiteren Schritte auf dem Laufenden. Wünschen Sie mir Glück.«
Ich hörte die Toilettenspülung, und Leila kam aus dem winzigen Badezimmer unter der Treppe.
»Was hat sie
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