Tödliche Gier
Road. An deren oberem Ende bog ich links ab und hielt auf die Berge zu, während ich beide Seiten der vierspurigen Straße absuchte. Meine Scheibenwischer schnurrten fröhlich vor sich hin und verteilten die Schmutzschicht links und rechts über die Scheibe. Ich kam an einem Pärchen vorbei, das sich unter einem Schirm aneinander drängte. Sie gingen auf meiner Straßenseite und kehrten mir den Rücken zu. Ich suchte nach Leila allein, und so beachtete ich sie zunächst nicht weiter, obwohl ich ihnen ansah, dass sie noch sehr jung waren. Erst als ich an ihnen vorbeigefahren war und im Seitenspiegel einen zweiten Blick auf sie geworfen hatte, erkannte ich Leilas watteartiges, weißblondes Haar und ihre langen Fohlenbeine. Der Junge an ihrer Seite war groß und mager und trug einen Rucksack, dessen Riemen er ungeschickt über die Schultern seiner schwarzen Lederjacke geschlungen hatte. Alle beide trugen Jeans und Wanderstiefel und hatten die Köpfe gegen den Regen gebeugt. Ich hätte schwören können, dass sie sich einen Joint teilten. Ich bremste ab und hielt direkt vor ihnen am Straßenrand. Im Seitenspiegel sah ich, wie Leila stutzte und dann etwas auf den Boden warf und darauf trat. Als sie an meinem Wagen vorbeikamen, beugte ich mich hinüber und kurbelte das Fenster auf der Beifahrerseite herunter.
»Kann ich euch mitnehmen?«
Leila beugte sich vor und blickte an ihrer Begleitung vorbei. Als sie mich sah, zeichnete sich auf ihrer Miene ein verwirrter Ausdruck ab, der Erkennen ohne Kontext signalisierte. Sie wusste, dass sie mich kannte, aber ihr fiel nicht ein, woher. Der Junge neben ihr richtete einen Blick voller Feindseligkeit und Verachtung auf mich. Ich musterte den glatten Teint, das regennasse, schlaffe braune Haar und das schlichte weiße T-Shirt unter der offenen Lederjacke. Voller Verblüffung starrte ich auf die beiden Brüste, da ich die Person für männlich gehalten hatte. Das musste Paulie sein. Ich konnte sehen, dass sie eine Schönheit werden würde, obwohl sie momentan ungepflegt war und aus jeder Pore ihres mageren Körpers Trotz versprühte. Sie war nicht hübsch im landläufigen Sinne, aber sie hatte eine animalische, authentische Ausstrahlung: große dunkle Augen und Wangenknochen, die infolge schlechter Ernährung scharf hervortraten. Ein Fotograf mit den richtigen Instinkten könnte mit dem Bild kämpferischer Erotik, das sie vermittelte, ein Vermögen verdienen.
Ich konzentrierte mich wieder auf Leila. »Hallo. Ich bin Kinsey Millhone. Wir haben uns letzten Freitag im Strandhaus kennen gelernt. Ich komme gerade von deiner Mom. Sie macht sich Sorgen um dich. Du hättest ihr sagen sollen, dass du das Internat verlässt.«
»Mir fehlt nichts, aber richten Sie ihr meinen Dank für ihre Anteilnahme aus.« Leilas Ton war sarkastisch. Ihre Respektlosigkeit sollte ihre Freundin beeindrucken, aber die Frechheit war schwer aufrechtzuerhalten, solange ihr das Regenwasser übers Gesicht lief. Zwei Haarsträhnen klebten ihr auf der Wange, und ihre Wimperntusche war zu wässriger Tinte zerronnen.
»Ich finde, das solltest du ihr selbst sagen. Sie muss wissen, dass dir nichts fehlt.«
Leila und Paulie wechselten einen Blick. Paulie flüsterte Leila ganz leise etwas zu; Verschwörerinnen, die versuchten, das Beste daraus zu machen, dass sie erwischt worden waren. Paulie ließ den Rucksack von der Schulter gleiten und reichte ihn Leila. Nach ein paar gemurmelten Worten marschierte Paulie in einem Tempo, das Lässigkeit vermitteln sollte, los in Richtung Highway.
Leila beugte sich näher an das halb offene Fenster. Ihre Augen waren dick mit Eyeliner umrandet und oben mit türkisblauem Lidschatten geschminkt. Sie hatte dunkelbraunen Lippenstift aufgetragen, eine Schattierung, die für ihren zarten blonden Typ viel zu hart war. »Sie können mich nicht zwingen, nach Hause zu gehen.«
»Ich bin nicht hier, um dich zu irgendwas zu zwingen«, sagte ich. »Aber vielleicht möchtest du ja gern ins Trockene.«
»Okay, aber nur, wenn Sie versprechen, Mom nicht zu sagen, wer bei mir war.«
»Ich nehme an, das war Paulie.«
Leila sagte nichts, was ich als Bestätigung auffasste.
»Na los. Steig ein. Ich setze dich bei deinem Dad ab.«
Sie überlegte kurz, dann zog sie die Wagentür auf, ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten und stopfte den Rucksack in den beengten Raum zu ihren Füßen. Ihr Haar war schon so oft gebleicht worden, dass es synthetisch wirkte. Nach wie vor war es in dieser seltsamen
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