Tödliche Gier
gesagt?«
»Nicht viel. Sie ist nicht gerade hoch erfreut über dich.«
Leila ging zu dem klobigen Sofa hinüber. Indem sie mich ignorierte, machte sie ihren Rucksack auf und zog ein Reißverschlusstäschchen mit Schminksachen hervor. Sie entnahm ihm eine Puderdose und klappte sie auf, um ihr Gesicht zu studieren. Sie wischte sich die verschmierte Wimperntusche ab und beäugte sich dann genauer. »Scheiße. Ein widerlicher Pickel«, sagte sie und steckte den Puder weg. Sie griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Mit einem Seitenblick auf mich stellte sie den Ton ab.
»In deinem Alter war ich genau wie du«, sagte ich.
»Toll. Darf ich rauchen?«
»Nein.«
»Warum nicht? Das sind nur Nelkenzigaretten.«
»Nerv mich nicht, Leila. Hier stinkt es schon ohne Nelkenrauch schlimm genug. Erzähl mir was von Dow. Und sei nicht gleich eingeschnappt. Der Scheiß geht mir langsam auf den Wecker.«
»Also, was wollen Sie denn eigentlich wissen?«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»An so was kann ich mich nicht erinnern.«
»Pass auf, ich helf dir. Der 12. September war ein Freitag. Emily war krank und hat dir abgesagt, also musst du zu Hause gewesen sein. Warst du im Strandhaus?«
»M-m. Ich war hier.«
»Weißt du noch, was du an dem Abend gemacht hast?«
»Wahrscheinlich ein Video geguckt. Das mach ich meistens. Wieso?«
»Ich wüsste gern, wann du das letzte Mal mit Dow gesprochen hast.«
»Woher soll ich das wissen? Ich versuche, möglichst überhaupt nicht mit ihm zu sprechen.«
»Ab und zu müsst ihr doch etwas reden. Schließlich ist er dein Stiefvater.«
»Ich weiß, wer er ist«, sagte sie. »Ich dachte, man dürfte Minderjährige nicht verhören, wenn kein Elternteil dabei ist.«
»Das trifft nur zu, wenn du von der Polizei festgenommen wirst.«
»Und was sind Sie?«
»Privatdetektivin. Phillip Marlowe in Frauenkleidung.« Ihrer Miene nach zu schließen hielt sie Phillip Marlowe für eine Rockband, aber sie war klug genug, sich in diesem Punkt nicht zu verraten. »Wie alt warst du, als Dow und deine Mom geheiratet haben?«
»Elf.«
»Magst du ihn?«
»Er ist in Ordnung.«
»Kommt ihr miteinander aus?«
»Mittelprächtig. Er ist alt. Er hat ein Gebiss. Sein Atem stinkt nach Moder, und er hat ein paar voll bescheuerte Regeln: >Ich will, dass du um zehn zu Hause und im Bett bist. Ich will nicht, dass du morgens so lange schläfst. Hilf deiner Mutter mit deinem Bruder<«, zählte sie auf, indem sie ihn nachäffte. »Ich hab zu ihm gesagt: >Hey, dafür ist doch Rand da. Ich bin nicht ihr blödes Dienstmädchen.< Meine Noten müssen super sein, sonst darf ich wochenlang nicht weg. Er erlaubt mir nicht mal eine eigene Telefonleitung.«
»Dieser Mistkerl«, sagte ich. »Was glaubst du, wo er ist?«
»In Kanada.«
»Interessant. Wie kommst du darauf?«
Sie starrte auf den Fernseher und zappte von einem Sender zum nächsten.
»Leila?«
»Was?«
»Ich habe gefragt, warum du glaubst, dass er in Kanada ist.«
»Weil er ein Arsch ist«, antwortete sie. »Das Einzige, was ihm jemals wichtig war, war gut dazustehen. Ich habe gehört, wie er mit einer Frau am Telefon geredet hat. Ich glaube, vor etwa sechs Monaten sind irgendwelche Leute in das Pflegeheim gekommen und haben Finanzunterlagen und einen Haufen Patientenakten mitgenommen. Er hatte total Schiss. Was auch immer dahinter gesteckt hat, ich schätze jedenfalls, dass sie ihn dafür ins Gefängnis hätten bringen können. Deshalb glaube ich, dass er abgehauen ist.«
»Mit wem hat er am Telefon geredet?«
»Das weiß ich nicht. Er hat ihren Namen nicht genannt, und ich habe ihre Stimme nicht erkannt. Außerdem hat er genau in dem Moment gemerkt, dass ich in der Leitung bin, also hat er gewartet, bis ich aufgelegt hatte, bevor er noch irgendwas gesagt hat.«
»Du hast gelauscht?«
»Ich war oben in meinem Zimmer und wollte telefonieren. Woher sollte ich wissen, dass er in der Leitung ist?«
»Wann war das?«
»Etwa zwei Wochen, bevor er abgehauen ist.«
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Es hat keiner gefragt, und außerdem ist es nur eine Vermutung. Kann ich das jetzt anschauen?«
»Sicher.«
Sie drückte erneut auf die Stumm-Taste, und der Ton kehrte dröhnend zurück. MTV.
Ich ging ins Badezimmer, das gar nicht so schäbig war, wie ich vermutet hatte, und schloss die Tür. Es hatte den Anschein, als hätte sich Lloyd in gewissem Maße darum bemüht, Waschbecken und Badewanne sauber zu halten. Das Wasser
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