Toedliche Hoffnung
da, aber ich fand das Wasser viel zu kalt, und die Wellen waren zu hoch.«
»Was stand auf der Tätowierung?«
»Warum klingen Sie denn auf einmal so wütend?«
»Es tut mir leid, ich bin müde.«
Müde, müde.
»Ich weiß nicht, warum ich die ganze Zeit auf diese Tätowierung gestarrt habe. Erst dachte ich, es säße ein Tier auf seinerSchulter, aber dann sah ich, dass es eine Tätowierung war. Es war, als wollte ich nicht auf seinen Körper schauen, er war ja ganz nackt, und das Gesicht anzusehen habe ich mich irgendwie nicht getraut ...«
»Aber was stand denn nun dort?«
In weiter Ferne hörte ich das Mädchen antworten.
Und meine linke Schulter brannte, dort, wo ich die Tätowierung trug. Patricks Name auf meiner Haut, zur Erinnerung an die verrückte Nacht in Chinatown, unsere Verlobungsnacht, als wir uns die Namen des anderen eintätowieren ließen – viel besser als Ringe! Dies war eine Handlung für die Ewigkeit, etwas, das wir niemals verschlampen oder verlieren konnten, und eine wahnsinnige Provokation für seine Eltern. Ein Einfall, der mir plötzlich kam, als ich Licht in einem Tätowierstudio im Keller einer Seitenstraße der Mott Street entdeckt hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass er es wagen würde. Mich definitiv haben wollte. Bis in alle Ewigkeit ... Ewigkeit.
Die Stimme des Mädchens drang erneut an mein Ohr.
»Dort stand allein , ist das nicht merkwürdig? Jedenfalls heißt das auf Schwedisch so. Allena . Obwohl dort eigentlich Alena stand, mit einem L . Fast so wie im Englischen, in alone . Es war ein bisschen gruselig, denn er war ja tatsächlich völlig einsam, wie er dort lag. Und ich war auch einsam, denn Alex ... aber das kann ich nicht erzählen, es tut irgendwie immer noch zu sehr weh.«
Ich ließ das Handy fallen, doch irgendwo in der Dunkelheit um mich herum existierte die Stimme noch. Ich wollte sie anschreien, dass sie aufhören sollte, aber sie plapperte immer weiter:
»Und dann dachte ich, dass es in seiner Sprache etwas anderes heißen musste. Wissen Sie, was das bedeutet? Ich habe so wahnsinnig viel darüber nachgedacht. Ich glaube, dass man nie ganz über eine solche Sache hinwegkommt. Das Leben wird nie mehr so wie vorher. Hallo? Sind Sie noch da? Hallo? Ist er es? Ist es der Mann, den sie kennen?«
TARIFA
DONNERSTAG, 2. OKTOBER
Die letzte Wegstrecke lag vor mir wie ein einsamer Bleistiftstrich direkt zum Meer. Ein militärisches Warnschild tauchte aus dem Nichts auf und verschwand wieder. In einer Felskluft klemmte ein halbverfallener Schafstall.
Hier endet es, dachte ich. Von hier führt kein Weg zurück.
Ich rutschte auf dem Sitz hin und her, änderte meine Position. Es half nicht. Mein Nacken und meine Wirbelsäule schmerzten, und mein Hintern war steif nach einer Nacht in einer Reihe von Bussen, erst von Lissabon zur spanischen Grenze, dann weiter nach Sevilla, wo ich in einen älteren, rumpligen Bus nach Algeciras umstieg und schließlich in diesen Nahverkehrsbus mit harten Sitzen für die letzte Strecke der Reise. Wenn nur mein Körper schmerzte, war das in Ordnung, ich wünschte mir diesen Schmerz sogar herbei. Die Orte, an denen ich vorbeifuhr, interessierten mich nicht. Ich hatte die Augen geschlossen, aber kaum geschlafen, sondern Bild für Bild von Patrick heraufbeschworen. Erinnerungen, die ich mir aufheben, an denen ich festhalten musste, denn wenn ich das verlieren würde – wie er mit einem Mundwinkel lächelte, die Wärme seiner Augen und die Berührung seiner Hände, den Tonfall seiner Stimme –, wenn ich nicht jedes dieser Details speicherte, bliebe mir nichts.
Mir war übel. Weißbrot mit Schinken am Vorabend, ich konnte mir vorstellen, wie sich das Kind zwischen den aufgeschwemmten Kohlehydraten wälzte, und auch das war mir schnurz. Ich hatte nicht um einen Eindringling gebeten, der nach Essen schrie und mich zum Weiterleben zwang.
Eine alte Frau stieg aus, mitten in der gelblichen Landschaft aus Hügeln mit verdorrtem Gras und verbrannten Büschen. Auf einem Bergkamm stand eine Reihe Windräder. Ihre Rotoren kreisten wild am Himmel, sie sahen aus wie die Arme von Ertrinkenden, die versuchten, sich an der Wasseroberfläche zu halten.
Ich schloss die Augen und versank erneut in den Bildern mit Patrick.
Zu Lebzeiten.
Wie er mit einer Tasse Kaffee zum Sofa im Wohnzimmer kam. Genau die richtige Menge an Milch darin. Seine weichen Lippen an meiner Stirn. American Idol im Fernsehen. Eine scherzhafte kleine Diskussion darüber, wer
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