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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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in der Nacht allein nach Hause laufen!«
    »Ich bin diesen Weg schon tausend Mal gegangen und habe es überlebt.«
    »Da war ich ja auch noch nicht da.«
    Vor der schäbigen Haustür auf der First Avenue küsste er mich sanft und ich konnte einfach nicht anders, als ihn mit nach oben zu nehmen, um ihn in mein Schlafzimmer zu schieben, das so klein war, dass es nur aus einem Bett mit vier Wänden drumherum bestand. Ich wollte tiefer in diese attraktive Ernsthaftigkeit vordringen, bis zu ihrem Kern, wollte sehen, ob sie irgendwo aufhörte.
    Am nächsten Morgen wollte ich nicht aufstehen. Ich konnte mich nicht erinnern, was abends passiert war. Ähnliche Vormittage mit anderen Männern liefen stets darauf hinaus, so schnell wie möglich zu flüchten. Ich wollte nicht, dass sie auch noch meine Seele begrapschten.
    Doch neben Patrick blieb ich liegen. Ich strich mit einem Finger über seine Wange. »Bist du immer so?«, fragte ich ihn.
    »Was meinst du?«
    »Ernsthaft. Bist du wirklich durch und durch so, oder ist das nur deine Masche, um Frauen aufzureißen?«
    Da lachte er. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so gut funktioniert.«
    Ein Jahr später machte er mir dann den Antrag, im Little Veselka .
    Er will mich auf den Arm nehmen, dachte ich zuerst. Dann: Ich bin keine, die man heiratet. Dann: Hilfe, es passiert tatsächlich. Was tun die Leute normalerweise, wenn es passiert?
    Ich sagte ja. Dann sagte ich noch zweimal hintereinander ja. Er beugte sich über den Tisch und küsste mich. »Scheiße«, fluchte er zwischen meine Lippen und ließ sich zurückfallen.
    »Was ist denn? Du kannst es dir auch noch anders überlegen, wenn du willst.«
    Patrick schlug die Hände vors Gesicht und jammerte.
    »Der Ring! Ich habe den Ring vergessen. Was bin ich nur für ein Trottel.«
    Er hatte sich so sehr darauf konzentriert, Mut zu fassen, dass er das klassische kleine Detail vergessen hatte. Ob ich ihm verzeihen und ihm eine zweite Chance geben könne, es noch einmal zu versuchen, diesmal vorschriftsgemäß?
    Ich nahm seinen Kopf zwischen meine Hände und fuhr mit dem Finger die Konturen seines Gesichts nach. Ich sagte, dass ich keinen anderen Antrag wollte. Dieser war der beste, den ich mir vorstellen konnte. Wenn er so nervös gewesen war, dass er denRing vergessen hatte, bedeutete das etwas. Etwas, an das ich glauben konnte. Was schwerer wog als jedes Metall der Welt.
    »Aber wenn du darauf bestehst«, sagte ich, »die Läden in der Canal Street haben noch offen.«
    Unterwegs hielten wir an, kauften eine Flasche Champagner und knutschten so wild in einem Hauseingang, dass ein altes Weib rief, sie werde die Polizei holen. Als wir Chinatown erreichten, hatten die Juweliere in der Canal Street bereits die Gitter heruntergelassen. »Warum braucht man unbedingt einen Ring?«, fragte ich. »Wer hat das entschieden?« Und während die Nacht hereinbrach, torkelten wir tiefer in den roten Schein von Chinatowns Krimskramsläden, Tätowiershops und dubiosen Klubs hinein. Ich konnte mich nur vage daran erinnern, wie wir in dieser Nacht nach Hause kamen.
    Auf den Tag genau ein Jahr später heirateten wir, aber der Verlobungsabend blieb das Größte. Weil nur wir beide dabei waren, dachte ich. Später kamen seine Eltern, die Konventionen, die Hochzeitszeitung und das ganze Theater hinzu.
    Patricks Bürostuhl passte sich sanft dem Körper an und duftete schwach nach Leder. Merkwürdigerweise hatte ich noch nie dort gesessen. Ich strich mit der Hand über die dunkle Schreibtischplatte. Ein ledergebundener Tischkalender, ein Weihnachtsgeschenk von seinem Vater, der Patricks Leidenschaft für angeberisch-intellektuelle Accessoires teilte.
    Unter dem 17. August stand nur eine kurze Notiz.
    Newark 21:05 Uhr. Seine Abflugzeit. Kein Hotelname. Wir riefen uns immer auf dem Handy an, nie auf dem Hoteltelefon. Zu wissen, wo er wohnte, war mir nicht wichtig erschienen.
    Ich holte tief Luft, ehe ich die oberste Schreibtischschublade aufzog. Ich wühlte nur ungern in Patricks Sachen.
    Seine Ordnung war penibel. Es gab Stapel mit Quittungen, Stapel mit Briefmarken, mit Versicherungsnachweisen et cetera.
    In den beiden nächsten Schubladen lagen Artikel, die er geschrieben hatte, und Recherchematerial, sorgfältig nach Themengeordnet. Ich blätterte die Stapel durch. Nichts zum Thema Menschenhandel. Ganz unten lagen die Artikel, für die er fast den Pulitzerpreis bekommen hätte. Als er leer ausgegangen war, hatte er sich verändert. Er hatte härter

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