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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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waren. Patrick war immer derjenige, der daran dachte, sie zu gießen.
    Ich öffnete die Tür, ließ das schwache Rauschen der Stadt herein, Luft und einen kühlen Hauch von Wirklichkeit, der mich streifte.
    Wie ärgerlich, dass ich an seiner Liebe zweifelte! Ich hatte ihm versprochen, dass das nie wieder vorkäme, nach einem meiner ersten Eifersuchtsanfälle, bei dem ich sicher gewesen war, dass er mich verlassen würde. Ich war niemand, der Menschen an sich binden konnte. Sie verließen mich.
    »Aber ich liebe dich doch«, hatte er gesagt. »Ich bin doch derjenige, der nicht begreift, dass du bei mir bleiben willst.«
    Ich atmete die Luft ein, die rein und frisch war, Septemberluft. Im Laufe des Abends hatte es aufgeklart, die Sterne blinkten und mischten sich mit den Lichtern der Stadt.
    Ich hatte meinen Ohren nicht getraut, als er mir einen Heiratsantrag machte. Ich hatte ihn angestarrt, während alle Geräusche um mich herum verstummten und sich ein Abgrund im Boden des Little Veselka auftat.
    Das Little Veselka entspricht kaum der allgemeinen Vorstellung von einem romantischen Ort. Ein lärmendes und stickiges Deli in East Village, das schon seit den Fünfzigern an der Neunten Straße liegt. Die Küche ist offen, sodass man hören kann, wie die ukrainischen Köche sich anschreien, und sehen, wie sie vor den Augen der Gäste ihre Frikadellen wenden.
    Es war der Ort, an dem wir uns zum ersten Mal begegneten.
    Ich hatte dort mit ein paar Leuten vom La MaMa gesessen, einem der kleinen Theater auf der Vierten Straße, weit weit ab vom Broadway, wo ich zu dieser Zeit arbeitete. Mein gesamtes Leben spielte sich in diesem Viertel ab, ich nahm mir Essen von den indischen Restaurants auf der Siebten Straße mit nach Hause in die alte Wohnung meiner Mutter an der Ecke zur Vierten. Man munkelte, dass das Haus bald abgerissen und durch Luxuswohnungen auf zwanzig Stockwerken ersetzt werden würde, aber solche Gerüchte kursierten über alle alten Häuser in East Village.
    Schon als er zur Tür hereinkam, fiel er mir auf. Er war in Begleitung von Arthur Nersesian, einem irisch-armenischen Schriftsteller, der alle kannte. Sie setzten sich zu uns, und Arthur stellte Patrick als einen freien Journalisten vor, der eine Geschichte über den letzten Bohemian in East Village – also Arthur höchstselbst – schreiben wollte. Alle anderen waren durch die hohen Mietpreise vertrieben worden und wohnten mittlerweile in Brooklyn.
    Vorausgesetzt, dass es Bohemians überhaupt gab. Darüber entstand eine hitzige Diskussion an jener Ecke des Tisches, an der ich mit Patrick und einem Regisseur gelandet war, der den Arm um eine achtzehnjährige Schauspielschülerin gelegt hatte und schon halb auf ihr hing. War das nicht einfach nur eine vornehme Bezeichnung für Leute, die herumgammelten, ohne zu arbeiten? Die unfähig waren, ihr Leben in den Griff zu bekommen und Angst vor Verantwortung hatten? Oder waren diese sogenanntenBohemians die Vorboten einer neuen Zeit, die ersten wahrhaft freien Menschen?
    Es lasse sich statistisch belegen, sagte Patrick, dass genau im so genannten Bohème-Gürtel – der sich quer durch Manhattan und in östlicher Richtung bis nach Brooklyn hinein erstreckte – mehr dieser Leute als irgendwo sonst auf der Welt lebten – Menschen mit freien Berufen und ohne feste Jobs, die sich bewusst für dieses Leben entschieden hätten.
    Er erklärte, er sei eigentlich Gesellschaftsreporter und glaube daran, dass Worte die Welt verändern könnten. »Worte sind mächtiger als die meisten begreifen«, sagte er und sah mir in die Augen, nachdem wir die siebte oder achte oder gott-weiß-wievielte Flasche in Folge geleert hatten und der Regisseur dabei war, zwischen den Brüsten der Schauspielerin zu versinken.
    »Viele von der schreibenden Zunft begreifen überhaupt nicht, welche Verantwortung sie haben. Sie glauben, es ginge nur darum, berühmt und respektiert zu werden, aber für mich geht es darum, meinen Teil der Verantwortung zu übernehmen für die Welt, in der wir leben.«
    Seine Ernsthaftigkeit hatte mich fasziniert. Er versuchte nicht, sich zu profilieren, er glaubte tatsächlich an das, was er sagte. Davon abgesehen war er bemerkenswert normal gekleidet, in Chinohosen, Jackett und Hemd, was sehr ungewöhnlich war in diesem Viertel, wo alle so verkrampft an ihrem ganz individuellen Stil arbeiteten.
    Als er meine Hand nahm und mich nach Hause brachte, meinte er auch das völlig ernst: »Nie im Leben lasse ich dich mitten

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