Toedliche Hoffnung
Supremat.« Er griff nach dem kleinen Kreuz, das er um den Hals trug, und zog es an der Kette hin und her. »Ich weiß nicht, ob ich das so gut erklären kann.«
»Ihr Englisch ist ausgezeichnet«, sagte ich und versuchte, mir Patrick vorzustellen, wie er hier saß, in eine engagierte Diskussion vertieft. Offenbar waren der Sklavenhandel und die Sklaverei der rote Faden, der alles miteinander verband. Ich begriff, dass ich viel zu müde war, um darüber nachzudenken.
Olivier sprach weiter über Patrick, lobte seine französische Aussprache, die für einen Amerikaner ungewöhnlich gut sei. Patrick hatte bereits auf der Highschool Französisch gelernt und auf der Columbia University damit weitergemacht. Er war geradezu verliebt in die Sprache. Wann immer er die Gelegenheit hatte, schleppte er DVDs mit französischen Filmen nach Hause, bei denen ich regelmäßig einschlief.
»Bekam er Besuch, als er hier wohnte?«
»Ja ... es ist ja bekannt, dass er ein Verhältnis mit Verlaine hatte ...«
»Nein, ich meinte Patrick.«
Der Portier wandte seinen Blick ab und fingerte an seinem Silberkreuz herum. »Hier gehen so viele Menschen ein und aus ...«
Plötzlich ging mir der sinnlose Smalltalk auf die Nerven. Jetzt oder nie.
»Mein Mann ist nicht nach New York zurückgekehrt«, sagte ich. »Seit er hier ausgecheckt hat, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Deshalb bin ich hier.«
Olivier sprang abrupt auf und starrte mich an, und ich spürte, wie sich die Angst erneut anschlich. Bereits morgen wüsste es dasganze Hotel, und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch in den Zeitungen stand. Und die Frau mit dem alten Peugeot würde wiederkommen.
»Ich wäre dankbar, wenn Sie es niemandem erzählen würden. Offenbar ist er einer großen Sache auf der Spur, deshalb meldet er sich nicht.« Ich senkte meine Stimme. »Erinnern Sie sich an einen Anruf, den er spät in der Nacht bekam, am Freitag vor zwei Wochen? Haben Sie an diesem Tag gearbeitet?«
Olivier runzelte die Augenbrauen und nickte vorsichtig. »Ja, ich war da. Ich erinnere mich. Der Anrufer war wahnsinnig aufgeregt. Aber ich weiß nicht, worum es ging, ich habe den Anruf nur zu Zimmer 43 durchgestellt. Ich dachte mir schon, dass es wahrscheinlich etwas mit Monsieur Cornwalls Arbeit zu tun hatte.« Er lächelte ein wenig. »Ich habe immer selbst davon geträumt, einmal zu schreiben.«
»Wissen Sie, wo das Gespräch herkam?«, fragte ich. »Können Sie das nachverfolgen?«
»Nein ... da müssten wir die Telefongesellschaft kontaktieren. Das setzt wahrscheinlich voraus, dass die Polizei ...«
»Vergessen Sie’s«, sagte ich. Es war natürlich völlig ausgeschlossen, die Polizei darauf anzusetzen, einen Anruf zurückzuverfolgen, der von einem Informanten Patricks stammte.
»Können Sie mir helfen, für morgen einen Tisch im Taillevent zu reservieren?«, fragte ich. »Ich muss dort einige Dinge herausfinden.«
»Selbstverständlich.« Olivier stand auf, ging an den PC hinter der Rezeption, und tippte sich zu einer Website durch. Auf dem Bildschirm bauten sich einige Fotos auf. Einhundertvierzig Euro für ein Abendessen.
»Haben die sie noch alle?«, sagte ich.
»Das Mittagessen ist billiger«, antwortete Olivier, »es kostet nur achtzig Euro.«
Nur, dachte ich, und bat ihn, für den nächsten Mittag einen Tisch zu reservieren. Auf dem Weg zur Treppe fiel mir etwas ein, und ich wandte mich um.
»Ach bitte«, rief ich, »reservieren Sie auf den Namen Alena Sarkanova.«
Der Portier sah auf.
»So hieß ich vor meiner Hochzeit«, erklärte ich.
Alena Sarkanova hatte nichts zu verlieren. Sie kam allein zurecht, bettelte nicht um Liebe, sie war diejenige, die ich vor meiner Begegnung mit Patrick gewesen war. Als ich heiratete, streifte ich meinen alten Namen ab wie eine Schlange die Haut.
Ich ging unter die Dusche und ließ mir das Wasser heiß über den Körper rinnen. Sarkanova war der Name meiner Mutter. Wie mein Vater hieß, wusste ich nicht. Ich wusste nicht einmal, ob er noch lebte. Meine Mutter hatte es mir nicht erzählen wollen, und jetzt war sie schon einige Jahre tot.
Ich hatte schon mehrmals ihre Papiere durchwühlt, auf der Suche nach einem Namen, einer Fotografie, irgendetwas, das zeigte, dass ich ihm ähnelte. Ich hatte nicht den geringsten Hinweis gefunden. Sie hatte ihn aus ihrem Leben getilgt. Als Teenager hatte ich davon phantasiert, dass er auf der ganzen Welt nach mir suchte, dass eines Tages ein Brief kommen würde. Oder eine
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