Toedliche Hoffnung
einer Firma, das Bild eines perfekten Büros.
In diesem Moment spürte ich einen Lufthauch hinter meinem Rücken, und in der nächsten Sekunde schloss sich eine Hand um meinen Oberarm. Ich schrie auf und drehte mich um, starrte auf eine Männerbrust. Ein kurzärmeliges Hemd, pralle Muskeln. Der Mann war einen Kopf größer als ich und hatte ein breites Gesicht mit einer Nase, die zu klein wirkte, Schweinsäuglein und einen kahl geschorenen Schädel.
»Ich bin auf der Suche nach Alain Thery«, stotterte ich und spürte, wie der Griff härter wurde, »aber offenbar ist er nicht hier, also kann ich wohl gehen ... Lassen Sie mich los, zum Teufel!«
Doch der Wachmann, oder was auch immer er war, lockerte seinen Griff nicht, bis ich wieder unten vor der Rezeption stand.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie eigentlich? Für wen arbeiten Sie?« Der blonde junge Mann übersetzte die Fragen, da der Wachmann offenbar kein Englisch sprach.
Ich dachte hastig nach, war wirr im Kopf. »Ich habe eine Toilette gesucht. Ich dachte, dass ich kurz davor wäre zu ... brechen. Wenn Sie verstehen.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ich bin ... schwanger.«
Das hätte ich nicht sagen sollen, aber es war das Einzige, was mir so schnell eingefallen war. Der Blonde übersetzte. Enceinte war das französische Wort. Der Wächter ließ mich los und versetzte mir einen Stoß in den Rücken, zeigte mit ausgestreckter Hand auf den Ausgang.
»Rufen Sie am Montag noch mal an«, sagte der Blonde.
Die Türschleuse glitt auf und schloss sich hinter mir wie eine große Muschel, als ich wieder auf der Straße stand.
»Hast du eine Verabredung mit Arnaud?«
Das Mädchen, das vor dem Eingang stand, trug zerrissene Jeans und hatte raspelkurze Haare. Auf die Wand neben ihr hatte jemand zone antipatriotique gekritzelt.
»Er hat mich gebten, dich reinzulassen«, sagte sie und drückte die Zigarette in einer abgeschnittenen Konservendose aus.
Ich stellte mich vor und folgte ihr in das Gebäude. Die Lampe im Treppenhaus war kaputt, und durch ein dreckiges Fenster drang nur schwach das Tageslicht.
»Viele würden auf die Idee kommen, etwas durchs Fenster zu werfen, wenn wir unsere Adresse draußen dranschreiben würden«, sagte das Mädchen, das Sylvie hieß und nun eine schwere Eisentür öffnete. Zum ersten Mal während meiner Zeit in Paris wusste ich, dass ich richtig war. Patrick war hier gewesen. Das merkte ich am Geruch von Papier, Tinte, Energie und Kampfeslust, den Plakaten an der Wand, den geballten Fäusten und Symbolen. Auch wenn Patrick heute ein gut gekleideter Journalist war, steckte noch immer der Revoluzzer aus der Studentenzeit in ihm.
»Also arbeitest du auch mit illegalen Einwanderern?«, fragte ich.
»Das ist Politikersprache«, sagte sie und starrte mich vorwurfsvoll an. »Kein Mensch ist illegal!«
Wir betraten eine alte Fabrikhalle, in der Rohre und Leitungen kreuz und quer unter der Decke entlang liefen, überall standen Computer und Bücherregale, stapelten sich Zeitungen und Bücher.
»Zu meinen Aufgabenbereichen gehört das Fairtrade-Siegel«, erklärte Sylvie, »und die kollektive Vielfalt. Wir sind mehrere Organisationen, die sich hier die Kosten teilen, aber eigentlich arbeiten wir alle für ein gemeinsames Ziel: Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und Ländern und für die unterdrückten Völker dieser Welt.«
»Hast du Patrick getroffen, als er hier war?«, fragte ich.
»Ja natürlich«, antwortete sie, »er interviewte Arnaud ja ständig.« Ihr Blick wanderte zu einem großen Mann mit einem farbenfrohen Schal um den Hals und dunklen, zerzausten Haaren, der sich gerade einen Weg durch die Kartons und Zeitungsstapel bahnte und auf uns zu kam.
»Hallo, du musst Helena sein!«, sagte Arnaud Rachid.
»Alena«, korrigierte Sylvie. »Arnaud kann sich einfach keine Namen merken«, sagte sie und strahlte ihn an.
Arnaud Rachids Büro lag im hinteren Teil der großen Halle. In vier Metern Höhe gab es eine Reihe staubiger Fenster, das übrige Licht kam von Neonröhren an der Decke, die aussahen, als hätten sie schon zu den Hochzeiten der Industrialisierung dort gehangen.
»Willkommen im Paradies der Heuchler«, sagte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Dieses Land würde keinen einzigen Tag funktionieren ohne all die Menschen ohne Papiere, die hier die Drecksarbeit erledigen, Putzleute, Bauarbeiter, Obstpflücker. Unsere überalterte Bevölkerung würde aussterben, wenn sie niemanden hätte, der ihr den Hintern
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