Toedliche Intrige
hast, dass es nicht der richtige Zeitpunkt sei. Wann ist er denn? Wann ist der richtige Zeitpunkt? Sag mir das!«
»Ähm ... möchten Sie einen Drink?«
Einer der Barkeeper stand ganz plötzlich neben mir, und ich zuckte zusammen. Ich ging zu Bettýs und Tómas' Nische und tat, als sei ich gerade erst gekommen.
»Da seid ihr also! Ich ging davon aus, dass wir uns im Foyer treffen würden.«
Tómas schwieg verbissen, während Bettý mich kalt anlächelte und mir ein leeres Glas reichte.
»Manhattan«, sagte sie. »Den kann ich wirklich brauchen. Tómas glaubt, dass ich fremdgehe.« Ich erstarrte.
»Halt die Schnauze«, sagte Tómas.
»Bestimmt mit dir«, sagte Bettý und lachte. Sie wollte ihn provozieren, und es gelang ihr.
»Du dämliche Kuh«, sagte Tómas, stand auf und verließ die Bar. Wir sahen ihn an diesem Abend nicht wieder, und beim Einschlafen dachte ich nur: Wenn Tómas ein gewalttätiger Mensch ist, war es dann nicht äußerst gefährlich, so zu reden, und noch dazu vor Dritten?
Ich habe Bettý nie danach gefragt. Ich weiß nicht, ob es eine Rolle gespielt hätte. Sie hätte ganz bestimmt eine Antwort parat gehabt. Dieses Gespräch hatte mir aber auch vor Augen geführt, dass Bettý Tómas unbedingt heiraten wollte, auch wenn sie es mir gegenüber mit keinem Wort erwähnte. Er hatte sich geweigert. Er, der sonst alles tat, was sie wollte.
Vielleicht war hier der Anfang.
12
K lick-klack ... klick-klack ... klick-klack ...
Ich liege da und denke über die Liebe nach. Über Leidenschaft und Sinnlichkeit. Und Egoismus und Eifersucht und diesen ganzen Feuer speienden Berg, den man Hass nennt. Was sind das für Gefühle und wieso beherrschen sie einen mit solcher Intensität? Was führt dazu, dass Liebe und Hass erwachen, so entgegengesetzte, aber doch zum Verwechseln ähnliche Gefühle? Wodurch kommt diese Blindheit zustande, die einem derart den Boden unter den Füßen wegzieht, dass es kein Zurück mehr gibt? Was bringt einen dazu, sämtliche Anzeichen von Gefahr und Charakterfehler zu ignorieren und sich nicht auf sein Gespür für das, was einen ins Verderben stürzt, zu verlassen? Woher kommt diese absurde Weigerung? Weshalb entscheidet man sich die Gefahren zu ignorieren? Ist es die Liebe? Kommt es daher, dass sie einen mit Blindheit schlägt?
Diese Fragen gehen mir während der langen Nächte unentwegt durch den Kopf und verlangen nach Antworten, die ich nicht parat habe, weil ich dazu eine genauere Selbstanalyse machen müsste, als mir lieb ist. Wertraut sich schon, sein Leben unter dem Mikroskop zu betrachten? Wer hat den Mut dazu? Niemand kann eine präzise, gnadenlose und bedingungslose Nabelschau ertragen. Wer behauptet, dass er es kann, lügt.
Obwohl ich es nach besten Kräften zu vermeiden versuche, habe ich trotzdem in diesen langen Nächten nichts anderes zu tun, als mit meinem eigenen fragilen Selbst zu ringen. Auge in Auge mit Teilen meines Wesens konfrontiert zu sein, die so tief verborgen waren, dass ich keine Ahnung von ihrer Existenz hatte. Ich kannte sie nicht und wollte auch am liebsten nichts von ihnen wissen. Trotzdem liege ich hier und stelle mir diese bohrenden Fragen über Liebe und Hass und diese endlose, abgrundtiefe Finsternis, die mich überhaupt dazu brachte, mich mit dem auseinander zu setzen, was später geschah.
Klick-klack ... klick-klack ... klick-klack ...
Ich höre, wie die Aufseherin näher kommt, an der schweren Stahltür vorbeigeht und sich wieder entfernt. Ich habe das Gefühl, dass es Abend ist. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich glaube, sie löschen das Licht zu unterschiedlichen Zeiten, um einen zu verunsichern. Manchmal kommt es mir so vor, als fänden die Verhöre nachts statt. Ich weiß es nicht, aber es kommt mir so vor. Dann sind sie meist gereizter als sonst. Als würden sie lieber zu Hause im Bett liegen, als sich mit mir und all dem zu befassen, was ich ihnen nicht sagen will.
Ich weiß nicht, wie viel ich schlafe, und es interessiertmich auch nicht. Irgendwann in dieser Untersuchungshaft ging meine Uhr kaputt. Wenn ich nach dem Datum frage, antworten sie mir, aber trotzdem nicht so, dass ich ihnen unbedingt Glauben schenken könnte. Nur wenn ich meinen Rechtsanwalt treffe, erfahre ich ganz genau, wie die Zeit vergeht. Manchmal kommt es mir auch so vor, als schliefe ich tage-und nächtelang. Mitunter möchte ich auch gar nichts anderes tun und bin wie jemand, der an krankhaften Depressionen leidet und nicht aufwachen will.
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