Toedliche Intrige
Verantwortung entziehen wollen. Es ist nicht einfach, mit dem zu leben, was geschehen ist. Aber es ist wahr. Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Bettý die ganze Zeit genau gewusst hat, was sie tat. Es war alles bis ins kleinste Detail hinein minutiös im Voraus geplant.
Ein Jahr war vergangen, seit Bettý den Vortragssaal betreten hatte. Während dieser Zeit hatte sich meine Liebe von Tag zu Tag gesteigert, bis es so weit gekommen war, dass ich sie praktisch jeden Tag sehen oder zumindest ihre Stimme hören musste. Es war nicht schwer, unsere Beziehung geheim zu halten. Und wirgenossen es auch. Wir genossen es, dass niemand Bescheid wusste. Wir genossen es, dass uns ein Geheimnis verband.
»Erinnerst du dich daran, was ich über Tómas gesagt habe?«, fragte sie mich eines Tages, als wir zusammen essen gegangen waren. Der Kellner hatte die Teller abgeräumt, und wir saßen da und tranken einen Cocktail mit Champagner. Anschließend wollten wir zu mir nach Hause.
»Wenn ihm etwas zustoßen würde?«, sagte ich, denn ich erinnerte mich nur zu gut daran. Ich hatte lange darauf gewartet, dass sie wieder auf dieses Thema zu sprechen kommen würde. Wie gesagt, es war eine absurde Idee, trotzdem habe ich über ihre Worte, nachdem sie einmal gefallen waren, mehr nachgedacht als über alles andere. Das zeigt am besten, welche Macht Bettý über mich hatte. Tómas Ottósson Zöega stand zwischen ihr und mir. So einfach war das. Ich war bereit, mit ihr die Optionen durchzugehen, die wir hatten.
Ich weiß nicht mehr, was ich dabei empfand. Wahrscheinlich dachte ich aber nur daran, dass ich Bettý nicht verlieren wollte. Vielleicht, so überlege ich manchmal jetzt im Nachhinein, war es mir ein winziger Trost, vielleicht wollte ich auch herausfinden, wie weit sie bereit war zu gehen. Ich wusste auch nicht, wo ich selber stand. Ich wusste nicht, wie weit ich bereit war zu gehen. Es ist eine Sache, sich etwas vorzustellen, aber eine andere, es auch auszuführen. Ich wollte wissen, woranich mit Bettý war. Was sie dachte. Deswegen fing ich halbwegs im Spaß an nachzubohren. So nehmen die Dinge oft ihren Anfang. Halb im Spaß.
»Ich habe nichts damit gemeint«, sagte sie.
»Tatsächlich nicht?«, sagte ich.
»Was soll das heißen?«
»Ich glaube, dass du sehr wohl etwas damit gemeint hast«, sagte ich. »Sonst hättest du es nicht gesagt. Du bist nicht der Typ, der so etwas ins Blaue hinein sagt.«
»Du gehst davon aus, dass du mich kennst«, sagte sie.
Damit hatte sie Recht. Ich glaubte, Bettý zu kennen, war mir aber trotzdem nicht sicher, ob irgendjemand Bettý wirklich kannte. Ich wusste, dass ich ihr vertraute. Wir steckten unter einer Decke. Niemand wusste, dass sie Tómas betrog. Dass wir Tómas betrogen. Ich wusste, dass sie mir vertraute, wir machten gemeinsame Sache. Es war unser gemeinsamer Betrug. Und unsere gemeinsame seltsame Liebe, von der wir zehrten.
»Du behauptest immer noch, dass es nicht nur eine Frage des Geldes ist?«, sagte ich. »Oder des Testaments?«
»Es geht um uns«, sagte sie. »Es geht darum, was wir tun wollen. Was für Pläne haben wir für die Zukunft?«
»Du weißt, was ich möchte«, sagte ich. »Ich will, dass du ihn verlässt. Zu mir kommst, um mit mir zu leben. Ich möchte nicht, dass du länger mit ihm zusammen bist.«
»Und das Geld?«
Ich gab ihr keine Antwort. Sie strich mit dem Zeigefinger langsam über den Rand des Champagnerglases.
»Ich denke manchmal an einen Unfall«, sagte sie und blickte auf ihren Finger. »Einige kommen bei Autounfällen ums Leben. Andere stürzen beim Bergsteigen ab. Oder werden versehentlich von einer Kugel getroffen. Fallen in den Fluss. Ersticken an einem Hühnerknochen im Hals. Dauernd sterben die Leute an irgendetwas, und es ist der reine Zufall, wen es jeweils erwischt. Da gibt es keine Regeln. Es braucht nicht mehr, als dass man einem dieser Zufälle etwas nachhilft.«
»Nein«, sagte ich.
»Nein, was?«
»Nein, da gibt es keine Regeln«, sagte ich. »Ist es dir wirklich ernst mit dem, was du sagst?«
»Wo ist da der Unterschied?«, fragte sie. »Wir reden im Augenblick darüber. Findest du, dass es eine Rolle spielt, ob im Spaß oder im Ernst?«
»Für mich liegt ein Unterschied darin, ob man nur mit einem Gedanken spielt oder ihn ernsthaft in Erwägung zieht, und es hört sich für mich so an, als ob du genau das tust. Ich hoffe, dass ich mich irre.«
»Nimm das doch nicht so ernst«, sagte Bettý.
Noch einmal
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