Toedliche Intrige
das wusste. In den Nachrichten war nur von »Gästen« die Rede gewesen, Namen waren nicht genannt worden. Der Klatsch sorgt meist schon dafür, solche Lücken zu füllen, meistens sogar erstaunlich korrekt.
»Du weißt, dass ich dabei war?«, fragte ich.
»Man hört so einiges«, antwortete er. »Du und Bettý, seine Frau, wurde nur gesagt. Sie ist eine gute Freundin von dir, nicht wahr?«
»Ich möchte am liebsten so wenig wie möglich darüber reden«, sagte ich und fügte hinzu, dass ich jemanden erwartete. Ich warf einen Blick auf die Uhr, um zu signalisieren, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte. Ich versuchte, mir darüber klar zu werden, ob ich da einen Unterton in seiner Stimme gehört hatte, als er erklärte, dass Bettý und ich gute Freundinnen seien. Ich wusste nicht, ob ich rot geworden war. Ich schaute aus dem Fenster der Cafeteria und sah den kleinen Teich vor dem Haus.
»Nein, natürlich nicht, das verstehe ich«, sagte er, machte aber keine Anstalten zu gehen. »Grauenvoll, so zu Tode zu kommen. Und nicht gefunden zu werden.«
»Sie finden ihn bestimmt«, sagte ich.
Ich stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Draußen herrschte Windstille, und der kalte Teich war spiegelglatt.
»Also dann«, sagte er und schien endlich begriffen zu haben, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte. »Nett, dich zu treffen. Du wirst doch bestimmt weiterhin für das Unternehmen tätig sein?«
»Ich denke schon«, sagte ich.
»Das würde Bettý bestimmt wollen. Sie hat schließlich ganz schön dafür kämpfen müssen, dass du eingestellt wurdest.«
Ich nickte ihm zu und war froh, dass er endlich abzuziehen schien. Er drehte sich um und verließ die Cafeteria. Ich blickte ihm nach und sah, wie er in der Eingangshalle vor einem Ausstellungsobjekt stehen blieb.
Es war eine grönländische Ausstellung mit alten Gerätschaften für den Seehundfang.
Ich lächelte vor mich hin. Die Leute glauben immer, dass sie ganz genau Bescheid wissen, haben aber im Grunde genommen keine Ahnung. Bettý hatte nicht dafür gekämpft, dass ich eingestellt wurde. Tómas Ottósson Zöega persönlich wollte mich wegen meiner Spezialkenntnisse als Juristin einstellen, und er hatte Bettý geschickt, um mit mir zu reden. Klatschgeschichten hatten die Tatsachen völlig verdreht.
Klatschgeschichten ...
Ich schaute in die Eingangshalle, stand auf und ging zu dem Mann hinüber. Er betrachtete ganz vertieft irgendwelche eisernen Werkzeuge und wunderte sich sehr, als ich auf einmal neben ihm stand.
»Es war Tómas«, sagte ich, »der mich für die Firma gewinnen wollte. Nicht Bettý. Das muss ein Missverständnis sein. Ich wollte bloß ... Es wird so viel erzählt und missverstanden. Ich wollte das bloß klarstellen.«
»Selbstverständlich«, sagte er. »Vielleicht habe ich das einfach falsch in Erinnerung, und es spielt ja auch gar keine Rolle.«
»Für mich spielt es eine Rolle«, sagte ich, während ich verlegen neben ihm stand und nicht wusste, ob ich mehr sagen oder lieber verschwinden sollte.
»Es war bloß ...« Er zögerte.
»Was?«
»Es war bloß das, was Tómas seinerzeit gesagt hat,als er mir mitteilte, dass du als Mitarbeiterin eingestellt würdest.«
»Was hat er gesagt?«
»Ich will dir nicht zu nahe treten«, sagte er, »und er hat ja auch keineswegs Recht behalten. Ich weiß, dass du der Firma hervorragende Dienste geleistet hast, beispielsweise im Zusammenhang mit den deutschen Geschäftsbeziehungen.«
»Ich habe keine Ahnung, worüber du redest«, sagte ich. »Was hat Tómas genau gesagt?«
Er ging zu einem anderen Glaskasten und schaute sich interessiert unterschiedliche Ausführungen von alten grönländischen Messern an, mit denen man die Häute abgezogen hatte.
»Er hat gesagt, er wüsste nicht, was er mit dir anfangen sollte, und er hat in Zweifel gezogen, ob du überhaupt von Nutzen sein würdest.«
»Wie bitte?«
»Er hat bezweifelt, ob du überhaupt von Nutzen sein würdest.«
»Hat er das wirklich gesagt?«
»Wie gesagt, er hat keineswegs Recht behalten. Ich habe ihm gesagt, man könne nie im Voraus wissen, was dabei herauskäme, wenn er dich einstellte. Aber er war jedenfalls absolut nicht damit einverstanden, dass er quasi gezwungen war, dich einzustellen. Er konnte überhaupt nicht sehen, was für einen Sinn das haben sollte.«
»Aber ... weshalb hat er mich dann eingestellt?«
Ich stellte die Frage, ohne nachzudenken, denn ichwar vollkommen entgeistert über das, was der ehemalige
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